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äußeren und inneren Erfahrung"*) bemerkte, daß „jene Zweckmäßigkeit
folgerichtig auf jedes Atom als eine unbewußt für sich tätige und
den Organismus bedingende Kraft zu übertragen sei" und „daß es nur
einen durchaus eingeschränkten und bezüglichen Zweck im Ganzen
eines Organismus geben würde, wenn derselbe nur das Zufällige und
Zwecklose für sich verwendete wie ein Armer die da und dort aufgerafften
Lumpen. Der philosophische Trennstrich zwischen Organischem
und Anorganischem wurde dann schon von Schopenhauer
entfernt, und die neuere Biologie ist bereit, die Zielstrebigkeit und das
Wollen des Selbstbildens ebenso dem Anorganischen zuzuschreiben.
Verfährt man so, wozu unumwunden Aug. Pau 1 y in seinem Buche
„Darwinismus und Lamarckisrnus" (München 1905) fortschritt, so darf
man keinen Augenblick außer acht lassen, daß garnichts, auch nicht
das Geringste in der Natur Wesensbestand hat, ohne in seinen Daseinsbedingungen
mit dem Leben der Gesamtnatur verflochten zu sein, und
daß also der Zweck auch in den Beziehungen der Dinge und Wesen
zueinander gelten muß, ohne daß wir imstande sind, ihn jedesmal zu
bestimmen. Und so werden wir Okkultisten mit Recht, wie du Pre 1
es tat, nachdem er vordem den Zweck bloß in den Gattungen der
Naturorganismen mit Schopenhauer anerkannte, ihn auch im
Lebensgange der einzelnen Menschenseelen nach derselben transcen-
dentalen Verordnung und Selbstverordnung, die das Kleinste in der
Schöpfung regiert, die aber wiederum die Beziehungen des einen
Menschenschicksales zu jedem anderen mit ihm unauflösbar verflochtenen
regelnd zuletzt unter der alle Geschicke lenkenden Allverordnung
steht, zu suchen haben. Gerade hier bei der Ineinanderver-
kettung der Menschengeschicke wird, sobald wir den Zweck auch
hierauf übertragen, das ordnende Allbewußtsein, in das die Selbstleitung
jeder einzelnen Menschenseele einzubegreifen ist, schier un-
ausweichbare Annahme, ob sie den Wegen der jüngsten Philosophie
noch so sehr widerstrebe. Diese ist in Täuschung befangen, wenn sie
die Transcendenz im Sinne des Allunbewußten besser mit der Naturforschung
vereinbar glaubt, da sie sich an das Bekannte der einzelnen
endlichen Dinge anlehnend, die unendliche Naturordnung sozusagen
zur Summe von lauter Endlichem macht. Diese Naturordnung aber
muß, wenn sie eine solche ist, nicht sowohl der Uranfang, da man dies
an die Zeitbedingungen erinnernde Wort abwehren darf, als vielmehr
das im Wesen Primäre sein, nicht der Schatten der Erscheinungswelt,
sondern das Licht, von dem die ganze Erscheinungswelt nur der
Schatten ist. Das Allunbewußte aber ist schwärzeste Nacht, und seine
Annahme stimmt ganz und gar nicht mit der Auffassung, daß auch das
unbewußt in uns Wirkende echtes Bewußtsein ist mit besten unser
*) 1891 Nr. 35. 36.
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