Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
8.1914/15
Seite: 459
(PDF, 145 MB)
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so will es uns scheinen, als ob einer, der mitten auf dem Meere ist,
mehr vom Himmelsgewölbe zu schauen bekommt, als einer auf dem
höchsten Gipfel einer Bergkette, wo ihm die nächst niederen Berge
viel von der Aussicht rauben.

Ob der Weg von der römisch-katholischen Religion aus betretbar
ist, will ich hier nicht untersuchen, die Behandlung, die aber der
größte und tiefste Denker des Christentums überhaupt, Meister
Eckehart, erfahren mußte, dessen wertvollste Funde heute noch
vom Papsttum verworfen sind, sprechen nicht dafür. Herr Q r ä v e 11
meint, der Protestant wäre gegenüber dem Katholiken bezgl. des Beschreitens
höherer Welten im Nachteile. Mag sein. Aber meines
Wissens hat der Protestant das Recht des freien Forschens in seiner
Bibel. Wenn sich nun ein solcher einmal in folgende berühmte Stelle
vertiefen sollte: „Wachet und betet ohne Unterlaß, auf daß ihr nicht
in Versuchung fallet," was könnte er da unschwer herausfinden, ohne
der Stelle irgendwelche Gewalt anzutun?

Er könnte zunächst fragen: Was heißt Versuchung? Als bibelfester
Christ weiß er, daß im Neuen Testament der Teufel wiederholt
als Versucher, als Fürst der Finsternis und als Fürst der Welt
angesprochen wird. Der Versucher ist also der Fürst der Welt, der
Fürst alles Endlichen, im Gegensatz zum Unendlichen. In Versuchung
fallen hieße also, Irdischem, Weltlichem, Endlichem verfallen. Um
dieser Versuchung zu entgehen, ist „Wachen ohne Unterlaß" Gebot.
Dieses Wachen ist nichts Anderes als ein Ablassen von allem Endlichen
im Denken, Wollen, Empfinden. Wenn es wahr ist, daß man
nie „zween Herren zu gleicher Zeit dienen kann", also vor allem niemals
zwei Gedanken zugleich denken kann, so könnte man nie zugleich
unablässig wachen und unablässig beten, wenn es sich um ein Beten
im gewöhnlichen Sinne handelte, um ein Beten in Worten. Wachen
und Beten fallen aber in eines zusammen, wenn beides ein Lassen alles
Endlichen ist. So faßt auch Meister E c k e h a r t das Beten im höchsten
Sinne auf, als Hingeben ans Unendliche. Beten wäre also das, was
der Buddho in seinen Reden als die „vier Vertiefungen" bezeichnet,
Zustände, die nur der erfaßt, der sie kennen gelernt hat. Kennen lernt
sie nur, wer alles Irdische hinter sich gelassen hat. Wir anderen können
diese Zustände nur schwach ahnen.

Vielleicht kann uns auch hier ein Bild helfen. Denken wir uns
den riesigsten Wimderbau der Erde, angefüllt mit allen erdenklichen
Schätzen, so haben wir doch einen Raum vor uns, den der unendliche
Weltraum unermeßlich überragt. Den Wunderbau mußten wir
durch Arbeit schaffen, der unendliche Raum ist unser, sobald wir aus
irdischen, begrenzten Räumen hinaustreten.

Bezüglich des Gebetes möchte ich noch auf den letzten großen


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