Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
8.1914/15
Seite: 495
(PDF, 145 MB)
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Laut oder ein Wort hören läßt, gibt ihr den Eindruck einer Farbe. Die Farben,
welche die Worte begleiten, sind verschieden und unendlich abgestuft. So rufen
z. B. „H o f f n u n g", „G 1 üc k" und „Pracht44 bei ihr ein halbdurchsichtiges
örau hervor, allein jedes in besonderer Abstufung. Die Farben sind
manchmal undurchsichtig; so ist „Deutschland" schwarz und undurchsichtig
; andere sind nur halb undurchsichtig, z. B. „Schmerz4* ein
halb durchsichtiges Gelb, und wieder andere sind durchsichtig wie
Wasser, z. ß. „A n n a" ein b 1 a u g r ü n e s Wasser wie ein Opal. Manche
Farben sind glänzend, andere wieder matt. Sie sieht die Farben immer im
Räume schweben, in den verschiedensten Formen, in Streifen, Vierecken,
Kugeln. Manchmal umhüllen die Farben den Gegenstand wie eine Wolke; so
ist „Sonntag44 ein endloser blaßrosiger Rauch. Die Farben sind
meist irisierend und mit Reflexen versehen. Aber sie ändern sich bei bestimmten
Worten minimal und erscheinen gleichzeitig. Die abstrakten Worte bieten
viel lebhaftere und schönere Farben als die konkreten.
Oft sieht sie Farben, die in der äußeren Welt gar nicht vorhanden sind. Die
Farben üben einen faszinierenden Reiz auf sie aus. „Ich lebe
durch die Farben und fühle eine unsagbare Trauer,
wenn ich nicht von harmonischen Farben umgeben
bin.44 Wiederzugeben sind diese Farben auf der Palette jedoch nur mit
großer Mühe.

Der Fakir mit dem Seile. Einem Freunde unserer Zeitschrift verdanken wir
folgende interessante Ausführungen:

. Wenn von Fakiren in den Tagesblättern die Rede ist, so kann man 100
gegen 1 wetten, daß dabei auch von der Geschichte vom Fakir die Rede ist, der das
Seil in die Luft wirft, hinaufklettert, einen kleinen Jungen mitnimmt, oben abschlachtet
usw. usw.; eine Geschichte, die jeder Okkultist zum Überdrusse oft gehört
hat. Die „Münchener N. N.44 brachten neulich diese Geschichte und erhielten u. a.
folgenden Brief, der gewiß auch unseren Lesern viel Neues bringen dürfte. Darin
heißt es u. a.: „Dieses verblüffende Kunststück ist ja bekannt genug, man hat aber
noch nie von einem Augenzeugen dieser erstaunlichen Vorführung gehört.
Der ganze Bericht wird wohl auf die folgenden beiden Quellen zurückgehen,
auf die schon der Kopenhageher Psychologe Alfred Lehmann in seinem vortrefflichen
Buche „Aberglaube und Zauberei" (2. Aufl. 1908, S. 354/55) aufmerksam
gemacht hat.

Die Begründerin der modernen Theosophie, Helena Petrowna Blava tsky,
hat den Bericht zuerst in der jetzt bekannten Form gebracht, und zwar hat sie dazu
offenbar eine phantastische Erzählung des alten Johann Weyer (Wierus) benutzt,
umgedichtet und nach Indien verlegt, die dieser 1556 in seinem Werke „De prae-
stigiis daemonum44 mitteilt. Der Blavatskysche Bericht wurde dann Ende 1890 von
einem amerikanischen Journalisten, der sich S. E11 m o r e (seil more = betrüge
mehr) nannte, aufgegriffen und in der „Chicago Tribüne44 zu einer phantasiereicheu
Mystifikation aufgeputzt. Der Yankee gab an, daß er mit einem Freunde dieser
Vorstellung in Indien beigewohnt habe. Der Freund, ein Künstler, hatte einige
Skizzen davon aufgenommen, er selbst dagegen eine Reihe Augenblicksaufnahmen
gemacht. Die Skizzen des Künstlers gaben alles wieder, was im Bericht steht.
Die photographischen Bilder hingegen zeigten nur den eifrig gestikulierenden Fakir
und die Zuschauer, wie sie je nach der Handlung bald nach oben, bald nach unten
blickten. Aber von dem Seil, vom Knaben, von den blutigen Gliedmaßen usw.
war nichts zu sehen. Diese Geschichte ging durch alle Blätter, und
seitdem taucht das Geschehnis immer wieder als Tatsache auf. Der englische Ge-


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