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liehen Bestrebungen auf okkultem Gebiete nicht nachzulassen und den
echten Forschungen des Auslandes durch Nachprüfung und eventuelle
Bestätigung wieder zu Recht und Ansehen zu verhelfen, denn die
Wissenschaft ist international. Ihr Reich ist die Wahrheit oder doch
wenigstens das Streben nach Wahrheit, das bekanntlich ein Lessing
dem Besitze der Wahrheit noch vorzog.
Es stünde schlimm um den Okkultismus als Philosophie, wenn
er sich nur auf die exakt-wissenschaftlichen Resultate anerkannter Gelehrter
stützen wollte. Er würde hier kaum eine Stütze finden, denn
die vereinzelten und einander oft widersprechenden Resultate solcher
Forscher berechtigen nicht dazu, auf ihnen eine philosophische Weltanschauung
aufzubauen.
Wir müssen den Kreis unsrer Beobachtung offenbar weiterziehen,
denn es ist klar, daß wahrhafte okkulte Erlebnisse sich nicht auf die
Kreise der offiziellen Wissenschaft beschränken und daß gute Beobachtungsgabe
, wissenschaftlicher Sinn, Kenntnisse und Objektivität
sich auch außerhalb derselben finden.*) Es ist im Gegenteil bekannt,
daß die natürlichen Bedingungen, unter denen echte okkulte Erscheinungen
eintreten, in der exakt-wissenschaftlichen Forschungsmethode
unsrer Gelehrten keineswegs eine Förderung, sondern eher schwere
Hindernisse erfahren, wenn eben letztere auf diese natürlichen Bedingungen
nicht genügend Rücksicht nehmen, sondern in völliger Verkennung
des Gegenstandes verlangen, daß die Phänomene sich ihren
Bedingnungen unterwerfen.
In den Kreisen der okkultistischen Amateure finden diese Bedingungen
eine eingehende und von liebevollem Verständnis zeugende
Beachtung, ohne daß man jenen deshalb Unwissenschaftlichkeit vorzuwerfen
braucht. Sie habe» erkannt, daß Natur sich nicht zwingen
läßt; nur, indem wir uns ihren Gesetzen fügen, können wir sie beherrschen
lernen. Diese Amateure bekunden damit oft mehr echten
wissenschaftlichen Geist als ihre sie verachtenden, mit der akademischen
Toga geschmückten Gegner.
Nur letztere haben in den Augen der Welt, oft aber zu Unrecht,
den Anspruch auf öffentliche Glaubwürdigkeit.
Daß diese Anahme den tatsächlichen Verhältnissen nicht entspricht
, weiß jeder Einsichtige.
Wohl muß zugegeben werden, daß ein Mann, der im öffentlichen
Leben eine hohe Stellung einnimmt, seine Worte sicher abwägen wird
in der Kenntnis seiner Verantwortlichkeit.
*) Unsere Gelehrten freilich, auch wenn sie nur erst einmal sich mit Okkultismus
befaßt haben, tun, als ob alle Okkultisten kritiklose, unwissende Schwärmer
seien. Hätten sie sich mit der okkulten Literatur befaßt, so würden sie erkennen,
daß sie schwerlich neue Gesichtspunkte entdecken werden. Es ist alles schon von
okkultistischen Forschern vorweggenommen,
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