Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
10.1916/17
Seite: 387
(PDF, 124 MB)
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ihm, als er mir dessesn Inhalt erzählte. So führt also unsere Entwicklung, wie
ein Dichterwort sagt, „durch Lust und Schmerz — himmelwärts".
Sehen wir nicht an vielen Gleichnissen, daß zwei einander widerstrebende,
gleichsam feindliche Kräfte erst eine harmonische Bewegung ermöglichen?
Denke nur an die Planetenbewegung. Würde nur die Anziehung der Sonne
existieren, stürzten die Planeten in dieselbe. Wäre die Zentrifugalkraft größer
als die Zentripetalkraft, so wäre es gleichfalls mit der geschlossenen Umlaufsbahn
der Planeten um die Sonne geschehen; sie sausten hinaus in den Weltraum.
Ein Schiff ohne Ladung oder Ballast kentert beim ersten Windstoß, zuviel
Regen läßt die Pflanze venaulen, zuviel Sonne verdorren. So muß es auch
mit der menschlichen Seele sein. Ohne Lust und Leid keine Entwicklung.

Unsere Unterredung wurde durch den Eintritt eines dritten Freundes unterbrochen
. „Wißt Ihr schon, die Armee Falkenhayns hat Craiova erobert und
Mackensen die Donau an mehreren Stellen überschritten. Da sieht man doch,
daß unser Herrgott uns sichtlich hilft, weil das gute Recht auf unserer Seite
ist" — Ich muß dabei an einen Ausspruch Goethes*) denken, der vorzüglich
dazu paßt: „Ein höherer Einfluß begünstigt die Standhaften, die Tätigen, die
Verständigen, die Geregelten und Regelnden, die Menschlichen, die Frommen.
Und es erscheint die moralische Weltordnung in ihrer schönsten Offenbarung
da, wo sie dem Guten, dem wackeren Leidenden zu Hilfe kommt." „Ja,
Goethe", sagten wir zustimmend, „ist uns heute näher denn je. Auch er war
zur Erkenntnis der Notwendigkeit des Leides, der Unvollkommenheit und Fehler
gekommen und blieb dennoch ein Optimist, ein rastlos
Schaffender". Darauf trennten wir uns. Ich ging nach Hause, und dort
angelangt, mußte ich unwillkürlich einen Blick auf meinen Abreißkalender werfen.
Da las ich zu meinem Erstaunen:

„Stille ruhen oben die Sterne

Und unten die Gräber.

Doch rufen von drüben

Die Stimmen der Geister,

Die Stimmen der Meister:

Versäumt nicht zu üben

Die Kräfte des Guten."
„Sonderbar, höchst sonderbar, wieder das Gesetz der Serien im Spiele",
sagte ich zu mir selbst, als ich diesen Ausspruch Goethe auf dem Blatte des
Abreißkalenders nochmals durchdachte. Goethe will mich heute offenbar mit
seiner Lebensweisheit belehren. Wäre es nicht überhaupt gut, wenn das deutsche
Volk sich des öfteren daran erinnern würde, wie seine größten Dichter und
Denker sowohl persönliches als auch allgemeines Leid ertragen haben? Er-
innnern wir uns z. B., wie Goethe sich verhielt, als er die Trauerbotschaft
bekam, daß sein einziger Sohn in fernen Landen gestorben war. Er sagte nur
leise vor sich hin: ,.Non ignoravi me mortalem genuisse" (Ich wußte wohl,

*) Goethe, Symbolum 1815.

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