Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
12.1918/19
Seite: 134
(PDF, 112 MB)
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um sich, um, ehe sie alle auseinandergingen und Bayreuth verließen, noch einige
Abschiedsworte an sie zu richten. Wagner stand etwas erhöht auf einem Podium
vor den Anwesenden, als plötzlich, während er sprach, eine seltsame Veränderung
mit ihm vorging. Sein Körper erschien, obwohl die Gestalt als solche
blieb, wie sie war, hell und völlig durchsichtig, so durchsichtig, daß die hinter
ihm befindlichen Gegenstände ganz klar und deutlich hindurch zu sehen waren.

Diese Erscheinung dauerte nicht nur Augenblicke, sondern blieb während
geraumer Zeit, auch dann noch, als er abschiednehmend durch die Reihen der
Anwesenden ging. Von den damals Anwesenden hat nachher niemand Wagner,
der dann nach Venedig reiste, wo er bekanntlich am 13. Februar 1883 starb,
mehr lebend gesehen.

Mir hat dieses seltsame Erlebnis mein Vater (f Professor Julius Kniese)
erzählt, der damals unter den Anwesenden war und und die Erscheinung gesehen
hat. Wer meinen Vater gekannt hat, weiß, daß, obwohl er ein großer Idealist
war, er doch recht real mit beiden Füßen auf dem Boden stand und ihm jeder
Aberglaube, jede Phantasterei völlig fern lag. Er sprach sehr selten davon
und war stets von neuem in der Erinnerung davon erschüttert, und nicht er
allein hat die Erscheinung gehabt, mit ihm haben es viele erlebt. Er hätte vielleicht
nicht davon gesprochen, wenn nicht nachher verschiedene Herren auf
ihn zugekommen wären und ihn mit dem Ausdrucke großer Ergriffenheit gefragt
hätten: „Haben Sie es auch gesehen? Was war das vorhin mit dem
Meister?"

Ich weiß nur, daß unter diesen auch der f Musikdirektor Porges war.
Wieviele, ob alle der Anwesenden diese Erscheinung gesehen haben, wurde
nicht festgestellt, aber es wäre wohl im Interesse der Wissenschaft eine Umfrage
bei den noch Lebenden zu halten.

Ich selbst hatte ein ähnliches Erlebnis, das ich freilich begreiflicherweise
mit einigem Widerstreben bekannt gebe, weil man eben mit solchen Dingen
nicht vor das Forum der Öffentlichkeit tritt: Am 9. April 1905 dirigierte meii
Vater die allen unvergeßliche Aufführung des „Christus" von Liszt in der
Stadtkirche zu Bayreuth. Es war eine gewaltige Aufführung, die, da mei*
Vater jeden Takt bis aufs feinste ausgearbeitet und ausgefeilt hatte, an ih»
wie Chor und Orchester große Anforderungen stellte. Ich sang damals mit,
unsere Blicke hingen an meinem Vater, der jeden Ton aus uns herausholte.
Da, bei der großen Steigerung, wo wir alles hergaben: Christus vivit, Christus
regnat, Christus imperat! da, wo das gewaltige Resurrexit! aus dem Chor
klingt, sah ich plötzlich meines Vaters Gesicht wie in ein blendendes Licht
gehüllt.

Als der letzte Ton verklungen war und alles noch in tiefster Ergriffenheit
schwieg, sagte eine Dame leisft zu mir: „Haben Sie gesehen, wie Ihres Herr*
Vaters Gesicht vorhin geleuchtet hat?"

Und auch hier wars wie bei Wagner: keiner der Anwesenden hat meine»
Vater mehr lebend gesehen. Ich reiste am 10. April ab, mein Vater, trotzdem


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