Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
12.1918/19
Seite: 354
(PDF, 112 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1918/0358
354

über die sich die Psychiatrie mit der großen Geste, die überlegen tuender Ignoranz
so schön ansteht, hinwegsetzt. Läßt sie uns doch auch nicht darüber im
Zweifel, daß Moses, Mohammed, Christus, Buddha, Luther, Franz von Ässisi,
Napoleon, Schopenhauer, Newton und wie sie alle heißen mögen, in denen
die nicht psychiatrisch geschulte Menschheit Führer, Bahnbrecher, Vorbilder
verehrt, mehr oder minder geisteskrank waren. Normal sind eben nur sie
selbst, und auch das gilt noch mit Einschränkung, denn mancher hält sogar
den Kollegen nicht dafür.

Ändere, die das Problem mit mehr Ernst und Verständnis auffassen,
meinen, Sokrates habe eine Stimme „neben und über dem Gewissen" besessen,
sozusagen ein aufs höchste verfeinertes Gewissen. Ist dies auch nicht die
richtige Lösung, so kommt sie ihr doch so nahe, wie der Rationalismus den
Vorgängen des tiefsten inneren Erlebens kommen kann. Ruch sie bleiben an
der Oberfläche haften, wie mit Notwendigkeit jeder Versuch. Gefühle in Worte
zu kleiden. Das ist — in Paranthese sei es bemerkt — ein Fundamentalirrtum
des Rationalismus, zu glauben, er könnte etwa über innere Vorgänge aussagen,
was sie unserm Verständnis näher bringt. Wem sie fremd sind, kann sie niemals
durch noch so viele und schöne Worte in sich hervorrufen. Es ist
geradeso, als wollte man verstandesmäßig das Geigenspiel definieren mit r
Scharren von Roßhaaren auf Schafdärmen über einem hölzernen Hohlräume,
wodurch Luftschwingungen in bestimmter Anzahl und Folge verursacht werden
. So wenig der Musikalische einräumen wird, daß damit auch nur das
Problem erfaßt, geschweige denn das Jauchzen und Klagen, der Gefühlsrausch,
den die Geige in seinem Innern hervorzaubert und um dessentwillen er doch
gerade die Musik liebt, auch nur angedeutet, noch weniger zum Widerhall
gebracht sei, ebensowenig wird sich der Verliebte, der in Gewissensnöten Be-
iintiüche mit irgend einer verstandesmäßigen Umschreibung einverstanden
erklären können. Immerhin sei zugegeben, daß Sokrates selbst soundso oft
sich auf sein Daimonion als höchste Instanz in moralischen Dingen beruft.
Das gibt der annähernden Gleichsetzung mit dem Gewissen einen Schein von
Recht. Wir werden später noch darauf zurückkommen.

Eine dritte, unter anderen vom Bahnbrecher des neueren deutschen
Okkultismus, dem Frhr. von du Prel, versuchte Lösung ist die Identifizierung
des Daimonion mit dem Ähnungsvermögen. Äuch hierin ist viel Wahres,
ohne daß jedoch das Geheimnis damit enträtselt wäre, denn mit irgendeiner
Form von Telepathie, die ja heute als anerkannte menschliche, wenn auch
nicht allgemeinmenschliche Fähigkeit gelten kann, läßt sich das Daimonion
durchaus nicht identifizieren. Zugegeben ist aber, daß diese innere Stimme
vor Gefahren warnt, daher auch zweifellos über telepathische Fähigkeiten gebietet
. Äber weder die annähernde Gleichsetzung mit Gewissen, noch die mit
Ferngefühl werden dem Daimonion, dessen Wirken auf beiden Gebieten ja
zugegeben werden muß, gerecht. Verdienstvoll an du Preis Lösungsversuch


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1918/0358