Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
12.1918/19
Seite: 443
(PDF, 112 MB)
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den gesuchten Gegenstand konzentrieren. In den meisten Fällen setzte sich

dann der „Gedankenleser" sofort in Bewegung, schritt au! den versteckten
Gegenstand zu und brachte ihn mit Sicherheit zum Vorschein oder löste eine
andere, ähnliche ihm gestellte Äufgabe. Wenn die Äufgabe schwieriger war,
sollte er wohl eine in einem Hutrande verborgene Stecknadel auffinden und
dann mit dieser den Punkt über dem „i" einer ganz bestimmten Zeile einer
gewöhnlichen Zeitung auffinden und treffen. Das wurde seltener von ihm
verlangt. Äber schon bei Darbietungen unter einfacheren Umständen erregte
die Sicherheit, mit der Cumberiand, Bellini und deren Nachfolger die ihnen
gestellten Äufgaben lösten, den Verdacht, es gehe dabei nicht ganz mit rechten
Dingen zu. Die Binde könne wohl nur zum Scheine umgelegt sein, und in
Wirklichkeit durch kleine Löcher ein genügendes Sehen gestatten, oder es sei
der „Führer" im geheimen Einverständnis mit dem Darbieter.

Indessen konnte der wissenschaftliche Experte nach genauer Prüfung zweifelsfrei
feststellen, daß dieses häßliche Mißtrauen ganz unbegründet sei und
daß Cumberland und Bellini sich nur anständiger Mittel bei ihren Darbietungen
bedienen. Äuch eine plausible Erklärung für die wirklich erstaunliche Sicherheit
der Produktionen wurde gefunden. Darnach käme es bei dem Vorgang
gar nicht auf ein direktes „Äblesen" der Gedanken, sondern auf eine sinngemäße
Wertung des Verhaltens des „Führers" an, der also, ohne es zu wollen
und ohne sich dessen bewußt zu werden, in aller Wirklichkeit doch der
eigentliche Führer sei.

Wenn man an irgend einen Gegenstand scharf denkt, treten unwillkürlich
Muskelzuckungen ein von solcher Kleinheit, daß sie dem davon Befallenen gar
nicht zum Bewußtsein kommen, trotz dessen sollen sie genügen, zu mehr oder
mindern sichern Schlüssen auf die Gedanken und insbesondere die Äbsichten
des „Führers", der dadurch sein Interesse an dem Erfolg der Darbietung ungewollt
verrate. Mit großer Übung und feinem Gefühl für solch schwache Zuk-
kungen sollte deren Deutung gelingen. Für deren Äusschlag gebende Bedeutung
wurde auch ein überzeugender Versuch angestellt.

Des Gedankenlesers vorher tadellose Treffsicherheit schwand, wenn der
„führende" Experte Lederhandschuhe anzog. Diese dämpften und verunstalteten
die sonst so verräterischen kleinen „unbewußten und unwillkürlichen
Muskelzuckungen" in solchem Maße, daß deren sichere Deutung oder
gar schon die Wahrnehmung unmöglich wurde.

Nach diesen Befunden wurden also die Darbietungen der Äntispritisten nur
irrtümlich als „Gedankenlesen" bezeichnet, während sie passender „Muskellesen
" genannt werden könnten. Diese Bezeichnung wird hier und da
auch heute noch gebraucht,

Sie wird heute noch gebraucht, obwohl mittlerweile die Darbietungen der
„Gedankenleser" Formen angenommen, bei denen Muskelzuckungen gar nicht
berücksichtigt werden können und obwohl der anscheinend exakte Versuch


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