Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
13.1919/20
Seite: 213
(PDF, 128 MB)
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Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

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er des Mittags oder Äbends vom Büro nach Hause ging, kehrte er jedesmal
in der katholischen Kirche ein und verrichtete seine Gebete in auffälliger Ärt
und Weise. Äuch auf der Straße blieb er öfter stehen und betete mit nickendem
Kopfe und gefalteten Händen mit murmelnder Stimme. Seine Manieren waren
blöde und armselig.

S. bildete sich ein, daß er der auserwählte Sohn des lebendigen Gottes sei

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und deshalb, so erzählte er, hielte man ihn schon jahrelang gefangen, obgleich
er vollkommen erwerbsfähig sei. Eines Tages, als sich sein Leiden durch die
Verkennung der Ärzte aufs höchste gesteigert hatte, wurde ihm die Gabe zuteil,
immer das Äuge des allmächtigen Gottes zu sehen. Er meinte, daß er zum
Trost in seinen von den Irrenärzten ihm zugefügten Leiden diese Fähigkeit
erhalten hätte, die ihn an seinem Glauben festhalten läßt. Die Ärzte aber, die
ihn einsperrten und quälten, werden ewig verdammt werden.

Eines Tages erschien ihm in seinen schweren Stunden die Mutter Gottes
in eigner Person, umgeben von einigen großen Heiligen, um ihn zu trösten
und in seinem Glauben aufrecht zu erhalten. Äuch sieht er oft Jesum um
sich, und zwar in mehreren sich genau gleichenden körperlichen Gestalten, vor
ihm, hinter ihm und neben ihm stehen. Äm schönsten ist jedoch das Äuge
des allmächtigen Gottes, das beständig vor seinen Blicken schwebt. Es sieht
einem menschlichen Äuge ähnlich, ist aber ungeheuer groß und ihm sichtbar
wie die Sonne am Firmament, ihm als geistiger Himmelskörper beständig leuchtend
, auch wenn er im Zimmer oder bei der Ärbeit ist und nicht aufblicken
kann. Die Gestalt des Gottes als alter Mann mit weißem Bart usw. weist aber
S. mit großer Entschiedenheit ab. — Äus seiner ganzen Erscheinung und
seinen Erzählungen spricht große Naivität und Intelligenzlosigkeit. Wenn er
im Änstaltsgarten vormittags und nachmittags einige Stunden mit den anderen
Kranken sich aufhielt, nahm er eine kleine kurze Gerte zwischen die gefalteten
Hände, beugte den Kopf und betete laut mit kleinen kurzen Pausen zwischen
den Sätzen, aber unaufhörlich mit dem Kopfe auffällig nickend. Diesö Ärt
Beten trieb er fast den ganzen Tag, auch in den Krankenstationen. Sonst
ist S. aber völlig fähig, seinen Beruf auszufüllen, leidet auch kaum an anderen



abnormen Ideen als den geschilderten Äuswüchsen des naiven, strengkirchlichen
Glaubens, in dem er durch seine Visionen, Sehstörungen oder trügerisch
hellseherischen Änlagen befestigt und irregeführt wird. Äm 5. Äpril 1911 ist
S. von der Änstalt weggelaufen. Nachforschungen in der Umgegend waren
erfolglos. Wahrscheinlich hat er sein tagliches Brot in irgendwelchem Berufe
gefunden.

Äus der Krankengeschichte des Schneiders H. wurde mir folgendes bekannt
. Durch eine Predigt wurde H. im November 1910 sehr ergriffen. Er
war religiös und fühlte schwere Reue über seine Sünden. Er war aber immer
ein sehr guter, treu sorgender Familienvater, Äuf seine bittere Reue Ober seine


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