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Stückes fast nicht erwarten; Gewißheit wollte er haben, Baron Körber mußte gesehen
haben, wie die Bekh die Balustrade verließ.
Sobald es möglich war, durchquerte er den Saal, stürzte zu Körber und
flüsterte, heiser vor Äufregung, mit diesem. Inzwischen hatte das Duett aus der
neuen Oper, gesungen von Opernsänger W. und der Gattin des Komponisten,
begonnen. Körber deutete auf die Baronin Bekh, die jetzt die Hände im Schöße
gefaltet immer noch regungslos dasaß, während in der gleichen Haltung eine
zweite Baronin Bekh neben dem Staatsrat saß. Man konnte dies, wenn man
sich etwas auf die Zehenspitzen stellte, von dem Platze aus, an dem Körber und
Heller standen, genau sehen.
Körber hatte den Ärm krampfhaft um die Porphyrsäule geschlungen und
war totenblaß geworden. Prof. Heller aber trat brüsk und rasch die zwei
Stufen zu£ Balustrade empor und sagte, mühsam seine Stimme dämpfend, indem
er auf die Doppelgestalt wies: „Baronin, was bedeutet dies?"
Die Baronin stand sofort auf, und während sie sich über die Äugen strich,
sagte sie mit feinem Lächeln: „Schade, Herr Professor, daß Sie mir das schöne
Duett stören! Was dies ist? Haben Sie noch nie gehört, das es „Doppelgänger
" gibt? Ich empfehle Ihnen, die reichhaltige Literatur zu studieren, die
es darüber gibt."
Nach diesen Worten schritt sie an den beiden Herren vorbei in den Saal
hinein und kam gerade in die Nähe des Flügels, als das Duett zu Ende war. So
konnte sie den beiden Künstlern gleich danken für den gebotenen Genuß. Die
zweite Baronin Bekh aber war in dem Äugenblick neben dem Staatsrat verschwunden
, in dem Prof, Heller die Balustrade erstiegen hatte.
Man setzte sich zu Tisch. Die mit frischen Rosen herrlich geschmückte
Tafel bot einen wundervollen Änblick. Jedes einzelne, zum Schmucke der Tafel
verwendete Stück war eine Kostbarkeit, und der Koch des Hausherrn war eine
Berühmtheit in seinem Fach. Baronin Bekh war zwischen dem Hausherrn und
Frau Prof. Heller zu sitzen gekommen, während Prof. Heller ihr gegenüber saß.
Unbefangen und mit sichtlichem Behagen sprach die Baronin den Gerichten
zu, aber sie trank keinen Wein, doch führte sie manchmal den köstlichen
Trank, der im fein geschliffenen Glase vor ihr funkelte, an ihr Gesicht, um den
Duft, der daraus aufstieg, einzusaugen.
Äls Frau Prof. Heller bei dieser Gelegenheit auch ihr Glas hob, sagte sie
dabei zur Baronin:
„Äuf gute Nachbarschaft, gnädigste Frau", und diese hob der Professorin
lächelnd ihr Glas entgegen, ließ es an das andere anklingen und sagte langsam
und bedeutungsvoll:
„Äuf das Gedeihen Ihres Sohnes, Frau Professor."
Diese fuhr zurück und flüsterte: „Äch, ich habe ja gar kein Kind und
möchte doch so gerne eines!"
„In 8 Monaten", antwortete Baronin Bekh so leise, daß nur die Professorin
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