Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
13.1919/20
Seite: 397
(PDF, 128 MB)
Bibliographische Information
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gleicht dem Blindgeborenen, der eine Statue zu erkennen sucht, indem er
sie Punkt für Punkt mühsam mit den Fingern abtastet. Der Magier und
Mystiker aber gleichen dem Sehenden, der in einem Äugenblick das gesamte
Gebilde überschaut. Wie nun das Verfahren des Blinden versagt, sobald er
ein Gemälde oder eine Zeichnung vor sich hat, weil die farbige Leinwand
oder das Papier dem fühlenden Finger gerade das Wesentlichste und Wichtigste
nicht sagen, so ist der Wirkungskreis des Schauenden, des Sehers,
ebenso wie der des sehenden Menschen unendlich größer und umfang- wie
inhaltsreicher, und der Blindgeborene wird dem Sehenden in hundert Fällen
nicht mehr folgen, nicht mehr glauben können.

Die echte Buddha lehre und ihre Weltauffassung.

Ich könnte nun zur Stützung dieser Fauststelle eine lange Reihe von
Stellen aus Meister Ekhardt und verwandten Schriften heranziehen, aber diese
dürften unseren Lesern mehr oder minder geläufig sein. Um ihnen daher wirklich
Neues zu bieten, greife ich viel, viel weiter zurück, über die Neuplatoniker
hinaus zu jenem wunderbaren Urquell höchster Weisheit, der als die „Lehrreden
des Buddho Gotamo" selbst den sogenannten „indischen Theosophen"
(Blavatskyscher und Hartmannscher Richtung) gänzlich unbekannt ist. Deshalb
muß ich ein bischen weiter ausholen und ein paar einführende Worte
bringen. Hoffentlich wird es niemand gereuen, zu erfahren, daß der echte
Buddhismus und die landläufige ^indische Theosophie" zwei himmelweit von
einander verschiedene Begriffe sind.

Was wollte der Buddho Gotamo? Eine neue Religion, eine neue Philosophie
gründen? Än beiden hatte man seinerzeit in Indien keinen Mangel.
Der Erhabene, vollkommen Erwachte, wollte über beide hinausführen. Nach
den Anschauungen der brahmanischen Denker ist die Materie beständig und
der Geist (Ätman) unveränderlich. Die Weltseele Brahma und das Ewige
im Menschen waren für sie im Grunde ein und dasselbe. Der Buddho stellte
sich nun zu dieser Änsicht in den denkbar schärfsten Gegensatz. Seine Lehre
erklärt das gesamte Weltall für eine Summe ununterbrochen wechselnder Erscheinungen
ohne unveränderlichen Wesenskern. Da der Mensch nur ein
Teil dieser Welt ist, so gibt es auch in ihm keinen wechsellosen Ätman. Für
ihn war das, was wir Selbst, Ich, Seele, Geist usw. nennen, nur die Summe
ununterbrochen wechselnder Empfindungen, Wahrnehmungen, Vorstellungen,
Neigungen, Strebungen usw. Dauerlosigkeit, Vergänglichkeit, Nichtselbst sind
aber die Ursache dessen, was wir Leiden heißen, indem wir in der Nichterkennt-
iiis der Wahrheit das ewig Veränderliche in uns für dauernd ansehen und
dementsprechend denken und wirken. Äus dieser Unstimmigkeit zwischen der
Wirklichkeit und dem von uns Vorgestellten entspringt die Empfindung des
Unzulänglichen, das für uns so unangenehme Gefühl des Leides, des Wehs.
Die Welt ist ein ewiges Werden, während wir sie für ein ewiges Sein ansehen.


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