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besonderen Richtung erst erfolgen muß, teils weil ein brauchbares Beobach-
tungsmaterial nicht vorhanden ist, teils weil aus den vorhandenen Tatsachen
präzise und zuverlässige Erkenntnissätze noch nicht gewonnen worden
sind.1) Die herrschende höhere Studienordnung gründet sich auf zwei
differente Begabungsrichtungen: einerseits das Sprachtalent, das zum Studium
der Geisteswissenschaften (Philologie, Philosophie, Theologie, Becht usw.)
befähigt, andrerseits die Begabung zur Mathematik, die erforderlich ist zum
Betreiben der Naturwissenschaften sowie zum wissenschaftlich-technischen
Studium.2) Wie die Untersuchungen von Lombroso, Nordau, Lorand, Möbius3)
u. v. a. beweisen, bilden beide Anlagen, obschon häufig vereint, selbständige
Fähigkeiten des menschlichen Geistes, die unabhängig von dem Grad der
Intelligenz auftreten können. Hier ist Goethe's Wort am Platz:
„Zwar mag in einem Menschenkind
Sieh beides wohl vereinen;
Doch daß es zwei Geschäfte sind.
Das kann man nicht verneinen."
Nun fehlt es aber der astrologischen Wissenschaft, soweit dieselbe in
neueren Handbüchern und Schriften niedergelegt ist, an klaren und bestimmten
Formeln, um diese Eigentümlichkeiten der Intelligenz in zuverlässiger
Weise zu beurteilen. Die herkömmlichen prognostischen Lehrsätze
erfassen nur den Gesamtbegriff des geistigen Vermögens und geben Aufschluß
über den geringeren oder höheren Grad der intellektuellen Regsamkeit
; die astrologische Erkenntnis hervorstechender besonderer Begabungs-
richtungen, wie Sprachtalent, Anlage zur Mathematik, Musikbegabung, Vorherrschen
des Färb- und Formensinnes als Befähigung zur Ausübung der
bildenden Künste usw., war — mit der für eine Berufsberatung erforderlichen
Sicherheit — nicht möglich, da in der überlieferten prognostischen
Technik Leitsätze zur Beurteilung dieser Fragen nicht vorzufinden sind,
weil der Begriff selbständiger Spezialfähigkeiten erst durch die Untersuchungen
neuerer Wissenschaften gewonnen wurde und der traditionellen
Astrologie in seiner jetzigen Tragweite nicht bekannt sein konnte. Hier
ist Neuland, das die moderne astrologische Forschung erschließen muß.
Auf empirischer Grundlage müssen einwandfreie Interpretationssätze ermittelt
werden, deren Zuverlässigkeit statistisch sichergestellt worden ist.
*) Demnächst soll erscheinen: „Der richtige Beruf unserer Kinder auf
Grundlage der wissenschaftlichen Astrologie«' von Armin Wodan.
3) Vergl. Adolf Hedler, „Berufsberatung an den höheren Schulen" int
Deutsches Philologen-Blatt, 24, 32, 519—521.
Peter Petersen, „Die Probleme der Begabung und der Berufswahl auf der
höheren Schule" in: „Der Aufstieg der Begabten" (Leipzig, Teubner 1916) 78—94.
3) Möbius, „Über die Anlage zur Mathematik" (Verlag von Johann Ambrosius
Barth, Leipzig).
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