Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
15.1921/22
Seite: 416
(PDF, 131 MB)
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Dies war immer schon nach wenigen Minuten der Fall.

Damals lebte mein Jüngster noch und wurde von Sindbad stets
ersucht, während der Sitzung Klavier zu spielen.

Wenn ich früher mit meinen Kindern — oder auch mit Bekannten —
Sitzung gehalten, noch mehr aber, wenn ich ganz allein in stillen Dämmerstunden
Versuche mit dem Bleistift gemacht hatte, dann waren es immer
seine eigenen, ergreifend schönen und weihevollen Phantasien, mit denen
er mich auf dem Klavier begleitete.

E s lag e 1 n e wunderbare Poesie in dieser Musik und — Poesie, in
reinster, schönster Form, war, was ich erhielt.

Sindbad aber verlangte, Wagner zu hören. Das Ergebnis war
interessant. Sonst hatte sich stets meine Mutter oder mein jüngster
Bruder gemeldet und mir so manches liebe Wort gesagt, — jetzt kamen
sie äußerst selten und blieben schließlich gänzlich fern.

Dafür zogen die Klänge des „Tannhäuser" unglücklich oder sündig
Liebende herbei. Die interessanteste davon war eine Nonne, die vor
mehreren hundert Jahren gelebt und —■ geliebt hatte. Gegen ihren Willen
ins Kloster eingekerkert, hatte sie versucht zu entfliehen, war aber verraten
und lebendig eingemauert worden. Nun irrte ihre Seele ruhelos umher
im Weltenraum und suchte vergeblich Erlösung zu finden.

Sindbads Herz wurde von Mitleid bewegt und er fragte:

„Kannst du uns nicht sagen, wodurch wir dich erlösen können?"

„Gehe um Mitternacht an ein Grab, in dem die reinste Liebe begraben
liegt4', lautete die Antwort, „dort bete für mich!"

Ich sah es Sindbad am unbehaglichen Ausdruck seines Gesichtes
an, daß er sehr wenig Lust verspürte, in einer kalten Winternacht, •—
noch dazu um die Mitternachtsstunde 1 — auf den Friedhof zu gehen.
Er suchte nach Ausflüchten und sagte: „Ja, das ist schwer! Wo gibt es
reinste Liebe? Wohl nirgends!" —

D1 e jN( onne antwortete:

„Ihr Toren, was fragt ihr so blöde, so blind?"

Es ist der Liebe reinste — die einer Mutter für ihr Kind.4'

Ich dachte an das Grab unserer Mutter, an ihre Liebe, die noch
weit, weit über das Grab hinaus gereicht hatte. Vielleicht dachte
auch Sindbad daran, aber wir sprachen beide nicht darüber.

Ich fürchte, die Nonne ist unerlöst geblieben.

Eine zweite Nonne, — beide hatten es für nötig gefunden, uns
ihr Bild zu überliefern — kam und sagte:

„Gott zum Gruß! Ich bin eine Nonne, die allzuviel gedacht. Denken
ist sündhaft, drum ward ich verbrannt, — so wollten es die Priester«
Aber die Seele verbrennt nicht, sie irrt umher ohne liuhe. Wann wird
es enden?"


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