Freiburger historische Bestände - digital

547 —

Stimmer wieder in Ordnung gebracht und sonst hatte dieses kleine Erlebnis
keine größere Wirkung.

Aber vier Jahre später, als wir in einer größeren Stadt des Ostens
wohnten, stand ich während eines Gewitters am Fenster unseres Arbeitszimmers
, das eine wundervolle Aussicht über einen großen Teil der
Stadt, über den breiten Fluß und mehrere Brücken bot. Am andern
Ufer des Flusses, unserem Haus gegenüber, befand sich ein langgestrecktes,
mit vielen Blitzableitern versehenes Gebäude, ein Proviantamt, das nur
durch einen 2—3 Meter breiten Fußweg vom Wasser getrennt war.
Ich schaute, wie gesagt, in die Gewitterwolken hinein und sah plötzlich
einen sonderbaren Blitz, der wie eine Kette aus erst größeren, dann kleiner
werdenden Kugeln, die feurig rot erglänzten, gebildet war und dessen
Ende gleich einem Kometenschweif lang und schmal auslief, den Blitzableiter
mit rasender Geschwindigkeit hinabglitt, den Weg übersprang
und einige Sekunden über dem Wasser hinschwebend sich darin (wie
Seifenblasen) auflöste. Geschadet hatte dieser Blitz damals auch niemand
, sein Anblick war großartig und reizte mich, von nun an trotz;
Warnung erst recht in die Blitze zu schauen und auf diese zu achten.

Mein schönstes, aber auch gefährlichstes Erlebnis mit Kugelblitzen
hatte ich in der Nacht zum Himmelfahrtstage, am 12. zum 13. Mai
1920» Ein sehr heißer Tag ging dieser voran, über die Gegend zwischen
Hildesheim und Braunschweig, in der ich mich damals, aufhielt, um
eine Versammlung zu leiten. Das Haus, in Schellerten, in dem ich bei
Bekannten übernachtete, liegt vielleicht i/2 Stunde von dem Dorfe, in
welchem die Versammlung stattfand, entfernt und ganz einsam mit noch
1 oder 2 Häusern inmitten Gärten und Feldern. Die Hofseite des Gebäudes
wird durch einen 25 bis 30 Meter breiten Garten von einem
Eisenbahndamme getrennt, auch straßenwärts war das , H aus von einem
kleinen Vorgarten umgeben. In jener Gegend gibt es weder Sümpfe noch
größere Gewässer, die, wie ich weiß, die Blitze besonders anzuziehen vermögen
. Als meine freundliche Gastgeberin, eine schon bejahrte, sehr
liebe Dame, und ich unter strömendem Regen uns endlich über Stock und
Stein, Eisenbahnschwellen und -schienen, Felder und Gräben in ägyptischer
Finsternis, die hin und wieder Blitze erhellten und durch die ab
und zu das Grollen des Donners ertönte, lange nach 12 Uhr heimgefunden
hatten und froh waren, unsere Glieder noch zusammengehalten zu
haben, suchte ich sofort mein Z immer auf, um mich der feuchten Sachen
zu entledigen und mich hinzulegen. Das Zimmer lag im Hochparterre
und hatte nach der Straßenseite zwei große Fenster. Diesen gegenüber
stand an der rechten Wand im Hintergrunde das Bett, daneben ein
Stuhl und eine Tür, die zur Diele führte. Links am Fenster stand
der Waschtisch und zwischen den Fenstern eine Spiegelkommode. Ein

35*