Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
16.1922/23
Seite: 39
(PDF, 129 MB)
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ihm das Mädchen gesagt; da kam es auf einen Tag nicht an. Ihn faßte
das Verlangen, Vieder — wie er als Kind so gerne getan — das seltsame
Mysterium der Unsterblichkeit dieser Pflanzen zu belauschen.

Er blies den Staub von den verkrampften Ästchen, die den Eindruck
einer starren, geballten Faust machten, und steckte den harten Stengel in
eine Vase, die er mit Wasser füllte. Nach einigen Stunden würde sie aus
ihrem Fakirschlaf erwacht sein.

Er verließ das Hotel und kehrte erst am Abend zurück.

Eine schreckhafte Beklemmung durchfloß ihn, als er die Türe seines
Zimmers öffnete. Ganz unbegründet schien das Gefühl, und er vermöchte
es nicht, versuchte es auch gar nicht, sich [Rechenschaft darüber zu geben.

Er riß das Fenster auf, an dessen Scheiben torkelnd eine müde Fliege
schlug, und atmete begierig die kühle Luft.

Zum Schlafengehen war es ihm zu früh. Er nahm Briefpapier und
Feder zur Hand- und — begann zu schreiben. Einen Brief an seine Frau.

Er kam nicht recht vorwärts damit; ein seltsam Unsichtbares schien
ihm über die Schulter zu spähen. Er hatte das Gefühl, nicht allein im
Zimmer zu sein. Lächerlich das, ganz einfach lächerlich. Angst vor
Konkretem wie vor Ungreifbarem lag nicht in seiner Art. Er wußte,
daß er allein war, lächelte über seine Nervosität, die sich ständig steigerte,
da er das dumpfe Gefühl nicht los werden konnte. »

Er mußte plötzlich den Kopf wenden. Sein Blick fiel gerade auf
die Etagere, auf der die Vase mit der Bose von Jericho stand.

Da sah er, daß die Rose sich erschlossen hatte.

Er stellte sie auf den Schreibtisch in den Bereich der kleinen Steh-
lampe. Nun war er das lästige Gefühl los und fand jetzt auch einen
Vergleich dafür. Es war gewesen, als ob ihn jemand von rückwärts
scharf fixiert hätte.

Er betrachtete die seltsame Blume, deren Äste wie gespenstische
Finger in die Luft wurzelten.

Was mochte sie alles gesehen haben, seitdem sie von ihrer Sonnenheimat
geschieden? Wenn ihre Arme sich erwachend öffnen, empfängt
sie stets den Eindruck anderer Zeiten. Die Zusammenhänge verschläft
sie, mögen es zehn Tage, zehn Jahre sein. Das Symbol der Auferstehung
des Versunkenen. — —

Was sie gesehen haben mag, als sie das letzte Mal wach gewesen? —

Er sann.

Hatte sie am Krankeniager eines Menschen gewacht, im seellosen
Salon eines Keichen, im Schaufenster eines Trödlers, im Schlafgemache
Liebender? Was hatte sie gesehen, bevor sich ihre raschelnden Lider
schlössen zum Schlaf, aus dem er sie geweckt?

Glück? — Leid? —


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