Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
16.1922/23
Seite: 220
(PDF, 129 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1922/0224
— 220 —

tigt; sie sind ein sehr alter iranischer Volkszweig, und ihre Religion ist
eine Mischung von Christentum, Islam und altheidnischen Bräuchen. Ihre
Sprache steht dem Pehlewi und dem Armenischen sehr nahe. Schwer zu
entscheiden ist natürlich, aus welcher dieser Traditionen sie den Brauch,
den Verstorbenen solche Seelenvogelbildnisse mitzugeben, übernommen oder
beibehalten haben.

Auch in der Südsee soll es übrigens diese Sitte geben, und in
Japan — hörte ich — besteht (ich weiß nicht, in welcher Ausdehnung)
der Brauch, bei der Totenfeier einem gefangenen Vögelchen die Freiheit <zu
geben. ^

* Geht man der Frage liebe- und verständnisvoll nach, so unterliegt
es keinem Zweifel, daß die mythischen Anschauungen und Bräuche sehr
vieler Völker hier noch reiches Material bergen, das nur darauf wartet,
verwertet zu werden. Ich erinnere z. B. nur an die vielen nordisch-germanischen
Erzählungen von „Schwanen jungfrauen", von denen Grimm
folgende aus Schweden erzählt. „Ein Jüngling sah einst drei Schwäne
'sich am Strand^ des Meeres niederlassen, ihr weißes Vogelhemd ins Gras
legen und sich in schöne Jungfrauen verwandeln, dann im Wasser baden,
dann das Hemd wieder an sich nehmen und in Schwanengestalt fortfliegen
. Er lauerte ihnen ein andermal auf und entwandte der Jüngsten
der Jungfrauen das Hemd. Da fiel sie vor ihm auf die Knie nieder und
flehte ihn inbrünstig um dasselbe au; er aber führte sie mit sich heim
und heiratete sie. Erst als sieben Jahre verstrichen waren, zeigte er ihr
das verborgen gehaltene Hemd: kaum aber hatte sie es in der Hand, so
entflog sie als Schwan durch das offene Fenster. Der trauernde Gatte
starb bald darauf.

Anklänge an dieses Sagenmotiv hat Schweb el auch in deutschen
Gauen gefunden. Der Sinn des ganzen Vorganges ist nach Obigem klar
genug: eine Seele, ein seelisches Wesen, verkörpert sich und verliert seine
höhere Freiheit, um auf irdischem Plane mit einem Manne zusammen zu
leben.

Auch dichterisch ist der Gedanke mehr als einmal behandelt worden,
z. B. von H. C. Andersen in seinem Märchen von den wilden Schwänen.

Sicherlich liegt es nahe, alle diese Volks- und Märchenmythen auf
die Traumbedeutung des Vogelsymbols zurückzuführen. Zu diesen beiden
Erscheinungsgruppen gesellt sich nun aber noch eine weitere. Es handelt
sich dabei, worauf ich in der genannten Arbeit bereits hinwies, seltsamerweise
um Erscheinungen des gemeinsamen Wachseins, das uns alle umschließt
. Auch hier tritt der Vogel als Seelenbote und zwar als seelischer
Träger von Todesboibschaften auf, was ich an mehreren
Fällen darzulegen suchte: Ein Rabe, ein Sperling, ein Singvogel
benehmen sich derart auffällig, zeigen ein von ihren sonstigen Gewohnheiten


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1922/0224