Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
17.1923/24
Seite: 87
(PDF, 133 MB)
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Der Doktor ließ die Hand des jungen Mannes Jahren und sagte:
%,Ibr Zustand ist bedenklicher, als Sie glauben, und die Wissenschaft, wenigstens
die, welche die alte europäische Routine ausübt, vermag hier
nichts. Sie haben nicht mehr den Willen zu leben und Ihre Seele entwindet
sich unfühlbar dem Körpeh Es ist bei Ihnen weder Hypochondrie, noch
. fixer Wahnsinn, noch melancholische Neigung zum Selbstmord. NeinI
Ein seltener und interessanter Fall! Sie könnten, wenn {ich mich dagegen
auflehnte, sterben ohne eine erkennbare äußere oder innere (Verletzung.
Es war wahrlich Zeit, mich zu rufen, denn der Geist hängt nur noch an
einem Faden an Ihrem Körper. Wir wollen aber einen guten 'Knoten
daraus machen/*

Und der Doktor rieb sich die Hände, indem er ,eine lächelnde Grimasse
schnitt, die einen wahrhaften Knotenpunkt von Eunzeln aus den
tausend Falten seines Gesichtes hervorrief.

„Mein lieber Dr. Cherbonneau", sagte Octave, „ich weiß nicht*
ob Sie mich heilen werden, und, im Grunde genommen, ich trage wenig
Verlangen darnach. Aber ich muß gestehen, daß Sie gleich mit einem
Schlage die Ursache des geheimnisvollen Zustandes, in dem jich mich befinde
, erkannt haben. Mir scheint, mein Körper sei (durchscheinend geworden
und ich ließe mein Ich entschlüpfen, wie gin Sieb das Wasser
durch seine Löcher fließen läßt. Ich fühle mich jm All aufgehen und
mit Mühe unterscheide ich mich von dem, worin ich aufgehe. Das Leben
scheint so fern von mir zu sein, daß .es Augenblicke gibt, in denen ich mich
schon der menschlichen Sphäre entrückt glaube. Ich komme und gehe
aus Motiven, die mich früher bestimmten und deren jnechanischer Einfluß
noch fortdauert, ohne daß ich Anteil nehme an ,jdem, was ich tue^
Das Licht der Sonne scheint mir blaß wie das des Mondes, und die (Kerzen
haben für mich schwarze Flammen. Ich empfinde Frost ian den wärmsten
Sommertagen. Zuweilen herrscht in mir ein großes Schweigen, wie wenn
mein Herz nicht mehr schlüge und das Räderwerk (in meinem Innern
durch eine unbekannte Ursache stillstände. Der Tod, wenn .die Gestorbenen
ihn fühlen können, kann nicht verschieden von diesem Zustande sein/'

„Sie leiden", nahm der Doktor das Wort, „an jeiner chronischen Unmöglichkeit
zu leben, und das ist eine ganz moralische Krankheit, die
häufiger erscheint, als man glaubt. Der Gedanke ist (eine Kraft, die
töten kann wie Blausäure. Welcher Kummer nagt mit ^charfem Zahne
an Ihrer Leber? Von der Höhe welches geheimen Ehrgeizes sind Sie zermalmt
herabgestürzt? Welche bittere Hoffnungslosigkeit schleppen Sie
in Ewigkeit mit sich fort? Haben Sie freiwillig einem Ziele entsjagt,
das außerhalb der Grenzen des Erreichbaren liegt? Sie sind zu jung dazu.
Hat Sie eine Frau betrogen?"

„Nein, Doktor," antwortete Octave, „ich war nicht so glücklich."


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