Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
17.1923/24
Seite: 313
(PDF, 133 MB)
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schneiten Landschaft oder des schäumenden Meeres, eines wogenden Kornfeldes
, der sonnverbrannten Wüste, des Feenreichs der Mitternachtsonne?
Oder wer ist in das geheime Weben eines Kasenfleckchens eingetaucht?

Wir würden die Erde anders sehen und anders lieben, wenn wir nicht
jeden Ta£ ihres Anblicks teilhaftig würden: die Gewohnheit ist der Sarg
des Erlebnisses. Wer sich den Sinn für das Wunderbare des Lebens offen
halten will, die Kraft des Staunens und Erschauerns, die Kindern eignet'
der wende seine Aufmerksamkeit von Erscheinung zu Erscheinung, der
suche au 4 allen Erscheinungen das Einende und Trennende und das
spezifisch Eigenartige heraus, der fasse jede Erscheinung nicht auf, als
ob sie von unvergänglicher Dauer wäre, die Plattheit des Materialismus,
sondern als ob sie ihm geschenkt wäre, wie eine Theatervorstellung*
zwischen Auf- und Niederschweben des Vorhangs. Lautlos andächtig hingegeben
wie das Theaterpublikum, so muß der Erkennende sein, will er
das geheime Weben des Seins vernehmen. Wir haben bisher nur an der
materiellen Oberfläche der Dinge gekramt, uns vom Augenblick täuschen
lasssen.

Ein Wahn umstrickt fast alle Menschen, die gebildeten nicht ausge-
nomen: der Wahn, daß das Bild im Spiegel das Bild seines Gegenüber sei.
Was wir sehen, ist immer nur Licht, das Wesen der Menschen aber ist
Seele, ist Geist, wie wir aus innerster Erfahrung wissen. Das Bild der
Sonne, das sich dem all durchfließenden Lichtstrahl einprägt, sehen wir,
nicht aber die Sonne. Der äußeren Erscheinung nach sind Sonne und Erde,
Tag und Nacht, der Baum, der Fluß und der Mensch ein und dasselbe!:
Lichterscheinungen, im Auge wahrgenommen. Der Mensch, wie wir ihn
sehen, ist immer nur Netzliautreizung. Selbst dieses Bild wird von uns
sehr unvollkommen aufgefaßt: wir verehren die Büste Goethes als Abbild
des großen Denkers, wir beliebäugeln oder bekritteln unsere Photographien,
als ob wir es wären. Ja — allerdings, wenn wir jedesmal die Erscheinung
wären, die von uns zur Wahrnehmung gelangt, so müßten wir una
wandeln, vollständig wandeln — nichts würde mehr im Greis von dem
einstigen Kinde erhalten sein. Der Erwachsene staunt, wenn er den Menschen
als winziges Würmchen geboren werden sieht; es will ihm unfaßbar
erscheinen, daß auch er einmal klein gewesen sein soll, so sehr hat er sich3
mit dem derweiligen Augenblicksbild vermählt. Doch aber dieser Mann
wird zum Greis werden und nicht verstehen können, daß er einmal Mann,
geschw eige Kind gewesen ist Nicht verstehen können — es sei denn, daß
er sich vom Trug des augenblicklichen. Anblicks losmacht, das Leben nicht
aus dem verfließenden Moment, sondern aus dem dauernden Fluß zu fassen
lernt. Der Mensch, sei es Mann oder Weib, ist weder Kind, noch ert-
wachsen, noch' alt, dies sind alles nur Stufen seiner Entwicklung* Der
Fluß ist nicht Quell, noch Lauf, noch Mündung, der Fluß ist ajles zu-


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