Freiburger historische Bestände - digital

— 374 —

„So," hörte ich Elses Stimme wie aus entlegener Weite, „es ist

gut, daß du mir noch im letzten Augenblicke zeigst, wie du in Wahrheit
bist. Sollen wir uns noch weiter quälen, Ulrich? Wir sind ja beide
noch so iuna\

„Du willst mich verlassen!" unterbrach ich sie, wreder heftig werdend,
„denn ich fühle es ja mit. allen Fasern meiner Seele, daß du ihn liebst,
meinen Freund lieben mußt!"

„Ulrich!"

In diesem Wort lag eine so unendliche Wehmut, ein so tiefzitternder
Schmerz, daß ich wie wild das bebende Mädchen in meine Arme riß und
mein Gesicht in den Fluten ihres goldenen Haares vergrub.

„Du liebst mich, liebst mich?" schrie ich. „Ach, ich weiß", tobte
ich fort, „wenn du auch schweigst; —-- ich fühle es ja, daß du mich liebst.
mich lieben wirst, wenn ich ganz werde, wie ich sein soll, um dein werden
zu können!"

Sie sträubte sich nicht, wie ich von ihr gewohnt. Das Mädchen,
welches sich durch Darreichung des kleinen Fingers bereits preiszugeben
glaubte, fühlte sich heute zum ersten Male ganz Weib. Willenlos, schlaff
hing sie in meinen Armen, ließ es geschehen, daß ich ihr wachsbleiches
Gesicht zurückbog und es mit einer Flut brennender Küsse bedeckte.
Meine hungrigen Lippen fanden ihre Augen und von den Augen hinab
den Weg zum rosigen Mund, und in tobender Gier preßte ich den zuckenden
Leib des süßen Wesens an meine glutheiße Brust.

Erst später ist es mir zu Bewußtsein gekommen, welch eine jämmerliche
Eolle ich eigentlich in dem höchsten Stadium wahnsinniger Liebe
gespielt hatte. Erst später wurde mir klar, daß eine Wachspuppe in meinen
Armen gelegen und meine höchste Freude als Märtyrerin der echten
Liebe über sich ergehen ließ.

Plötzlich erschallten laute Stimmen in unserer Nähe; ich löste
meine Arme von ihrem Leibe. Wir ließen die Störenfriede vorbeiziehen
. Else ordnete ihr Haar und drängte zum Heimweg. Während wir
nun wieder langsam dem Saale zuschritten, fanden ihre Lippen rätselhafte
Worte, womit sie ihr seltsames Gebahren entschuldigen wollte.

„Wenn du restlose Klarheit verlangst," sagte sie, „so muß ich
bescheiden bekennen, daß ich zu einfältig bin, dir in Worten zu schildern,
was ich in Gegenwart deines Freundes gefühlt habe. Eigentlich ward
ich mir eines Unterschiedes mit dir gar nicht bewußt, sah traumartig
dein eigenes Wesen aus seinen Augen hervorblitzen, fühlte und sah nur
dich, hörte deine Stimme und glaubte dich nun erst völlig so in ihm zu
besitzen, wie du gern sein könntest, wenn dein ganzes Wesen ungehemmt
aus dir herausträte. Dann sah ich dich stehen, verloren, einsam. Mir
war es nun, als wenn ich in ein kaltes Bad hinabsteigen müßte; — aus