Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
19.1925/26
Seite: 514
(PDF, 121 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0518
514 —

„Du Gute, du Liebe!"

Mir tobte das Blut, alle Fasern schrieen schon jetzt nach ihrem
Besitz. Ich rief mir selbst Geduld zu, wollte ihren Mund küssen, den
sie mir seltsamer Weise wieder entzog:

„Nein, nicht küssen, das ist Sünde! Nicht wahr, wenn Sie mich
wirklich lieben, werden Sie es nicht tun."

In diesem Augenblick erklangen die Schritte der Heimkehrenden
vor der Haustür. Ich schlich nach oben und ließ die Geliebte allein,;
de*i Best des Tages in erwartender Erregung dahindämmernd.

Wenn Sie nun meinen, in den folgenden Worten von dem genossenen
Glück der Liebe zu hören, dann muß ich Sie schwer enttäuschen; denn
eben nun trat jenes Zwangsmäßige, Mystische auf, das mich um die einzige
Gelegenheit im Leben brachte, die Liebe in ihrer höchsten Potenz:
zu genießen. Mir ist noch heute nicht ganz klar, was mich damals be-
wog, mich dem selbsgeäußerten Wunsch des Mädchens zu versagen.

Denken Sie sich einen jungen Menschen, unschuldig, nach
nervenerregendem Kampfe endlich vor dem langersehnten Ziele stehend,
es schon fassend und im letzten Moment nicht wagend, den süßen dargereichten
Trunk hinunterzustürzen. — Wenn ich nun in kurzen Worten
beschreibe, was mich damals verhinderte, den Schritt in Amors Tempel
zu wagen, so bin ich mir vollkommen bewußt, hiermit noch lange nicht
die wesentlichsten Momente, welche im Mystischen, Unbewußten ruhten*
zu berühren.

Die äußeren Umstände mochten wenig von Belang sein. Ich hörte,
oben sitzend, die Geliebte in den unteren Räumen schalten und walten,
vernahm ihre muntere Stimme, die bald in fröhliches Singen überging;
■— nichts in ihrem Wesen konnte mir verraten, daß die gleiche Stimmung
froh beseelter Erwartung sie ebenso erfüllte wie mich.

Die lange Dämmerung des Sommerabends war bereits herabgesunken
. Ich saß halb ausgezogen auf dem Rande meines Bettes und lauschte
mit klopfendem Herzen auf jedes Geräusch, das sich im Hause vernehmen
ließ. Noch immer war es in den oberen Gängen still; noch immer
hörte ich die Stimme der älteren Schwester. Mir stiegen Zweifel auf;
Agnes hatte die Situation erfunden, ich würde sie beide im Zimmer finden
, wenn ich schließlich den Gang wagte.

Endlich hörte ich die beiden Mädchen die Treppe zu ihrem Schlafgemach
emporsteigen, die Tür öffnen, hinter sich zuschlagen, — eine
lange, bange Stunde, hörte dann wieder leise die Tür gehen, vorsichtig
schließen und dann Maries Tritte die Stiege Mnunterschleichen.

So, nun war ich soweit, Nichts konnte mich hindern, auf leisen
Sohlen dem Schlafgemach des Mädchens zu nahen. Ich stellte mir hundertmal
vor, wie ich nun leise die Klinke der Tür bewegte, öffnete, —


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1925/0518