Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
20.1926/27
Seite: 365
(PDF, 129 MB)
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nimmt er an, der heilige Mann von Assisi stehe schon deshalb höher,
weil er so viele Wunder verrichtet habe. Ich könnte hier aber wieder
auf den Buddho verweisen, der in einer seiner großen Lehrreden einem
seiner Anhänger gegenüber, der ihn aufforderte, seine Lehre durch
Wunder zu bekräftigen, es ausdrücklich ablehnte, Wunder zu wirken.

Auch Luther ist mit dem Meister nicht zu vergleichen. Der Berg>-
mannssohn aus Eisleben war ein tiefreligiöser Mann, völlig überzeugt
von der Wahrheit der religiösen Vorstellungen, in denen er aufgewachsen
war, und ebenso unbedingt davon überzeugt, daß er durch die Abstellung
von Mißbräuchen, die heute selbst schon katholische Geschichtsforscher
zugeben, diese religiösen Vorstellungen wieder in ihrer alten Eeinheit
und Lauterkeit herstellen könne.

Bei Meister Ekkehart handelte es sich aber vorwiegend darum, der
überkommenen religiösen Vorstellungsmasse einen ganz anderen, tieferen
Sinn zu geben, sie in ein inneres Erlebnis aufzulösen, ja sie vielleicht in
jenes innere Erlebnis aufzulösen, aus dem hochgestiegen diese Vorstellungen
sind. Es handelte sich ihm nicht mehr darum, ein Leben zu führen streng
nach den Vorschriften einer Kirche, um nach dem Tod dafür eine
Himmelsbelohnung zu erhalten bzw Höllenstrafen zu vermeiden, also um
Dinge, die mit unserem Ichbewußtsein im engsten Zusammenhang stehen;
nein, ihm handelte es sich darum, über das Ichbewußtsein hinaus und
hinüber zu kommen, und das läßt sich nur erreichen durch Erleben im
innersten Seelengrunde. Bei aller Brautmystik, die Dr. K. mit vollem
Becht verwirft, handelt es sich noch um eine Art mystischer Vereinigung
meines Ichs mit meinem Gotte; mag diese Vorstellung auch noch so
erhaben und blütenrein sein, mein Ich und mein Bewußtsein bleiben
dabei bestehen. Bei Meister Ekkehart beginnt die Mystik erst mit dem
größten Verzicht, den wir leisten können, mit dem völligen Aufgeben
jener Vorstellungs- und Empfindungsmasse, die wir als Ich, Selbst oder
auch als Seele bezeichnen, also mit dem, was wir als Bewußtsein oder
als Bewußtwerden bezeichnen. Wenn wir endlich „leer geworden sind
aller Kreatur", das heißt aller Vorstellungen, Wünsche, Empfindungen,
Strebungen, aller Willensregungen, erst dann kann im tiefsten Seelengrunde
das Göttliche geboren werden.

Das ist ganz dasselbe, als wenn der Buddho sagt: Der Mönch
kann schon hier Mbbanam erlangen. Mbbanam erlangen ist aber nur
ein anderer Ausdruck für „Gänzlich erlöschen". Was erlischt aber?
Unsere Triebe, aller Durst nach persönlichem ichhaften Leben, also aller
Vorstellungen, Wünsche, Willenserregungen.

Man muß sich nur bei einem Vergleich zwischen dem Meister Ekkehart
und dem Buddho stets vor Augen halten, welche Ausdrucksmittel
beiden hierfür geboten sind und welche Freiheit, sich ihrer zu bedienen.


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