http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1929/0414
- 410 -
IL Fascinatio amoris Ioannis Georgii IVL
Die Anklage berührt zuerst, daß bei des Kurfürsten „welt-
bekandfer kluger Conduite" nicht zu vermuten, er würde sich, wenn
alles natürlich zugegangen, auf so unglaubliche Weise von der
Gräfin haben einnehmen lassen; daß ferner seine Sinnesänderung
zu gunsten der letzteren sehr plötzlich vor sich gegangen, während
er vorher in verächtlicher Weise sich über sie geäußert Sodann
kamen eine Reihe von Zauberhandlungen zur Sprache, welche im
Detail in dem weiter unten folgenden Urteil erwähnt werden.
Sind auch die Zeugenaussagen rücksichflich einzelner derselben
schwankend und ungleich, ja kommen selbst mannigfache Widerrufe
in dieser Beziehung vor, welche dem fiskalischen Ankläger wie
dem Verteidiger Veranlassung zu weitläufigen Ausführungen und
Gegenausführungen gaben, so ist doch dieser Teil der Anklage unstreitig
der bestbegründete.
Außerdem finden sich in der Anklage gegen die Generalin
noch die zwei weiteren Hauptpunkte, ihre Tochter dem Kurfürst
Johann Georg IV, verkuppelt und endlich auch zu der tödlichen
Krankheit des letzteren dadurch beigetragen zu haben, daß sie
ihrer Tochter das Haarband, welches diese vom Kurfürsten bekommen
und bei Lebzeiten am Arme getragen hatte, mit ins Grab hatte
geben lassen.
Dem sehr umfangreichen Beweismateria! für diese Anklagepunkte
stellte der Verteidiger der Generalin, Dr. Schrey aus Dresden
, einen „rotulus testium" vom 3., 6. und 7. März 1695 gegenüber,
welche er als Entlastungszeugen hatte abhören lassen. Es waren
eine Frau von Arnim, welcher jedoch schon wegen anderer Vergehen
Personalarrest in ihrer Wohnung auferlegt worden war; der
älteste Sohn der Angeklagten, Obrist von Neidschütz; dessen
jüngste, kaum 19 Jahre alte Schwester, eine verehelichte von Beich-
ling, und mehrere Frauenspersonen, die früher im Neidschützschen
Hause gedient oder Zugang gehabt hatten. Aber selbst von diesen
so ungenügenden Zeugen wurden die Entlastungsbehauptungen des
Verteidigers nur sehr unvollständig bestätigt Aus dem
Urteil der Leipziger Juristen-Fakultät,
welche ihre Motivierung im wesentlichen an diejenige der Anklage
anlehnt, sind etwa die folgenden Punkte erwähnenswert:
„Wird jetzt gedachte Inquisitin Ursula Margaretha von Neidschütz
beschuldiget, daß sie eine Hexe sey, auch sich der Zauberey
befleißiget und dadurch sowohl Weylandt Churfürst Iohann George
III Glorwürdigsten Angedenkens ertödtet, als Churfürst
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1929/0414