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Finke

nur ein Telegramm und einige kurze, Tatsächliches enthaltende
und nüchtern gehaltene Lebonsnotizen; damit hat man
sich begnügt. Aber über Kraus hatte sich das Grab noch
nicht geschlossen, als in der Presse schon die Beurteilung
dieses seltenen Manns begann, als man schon versuchte, von
dem ewig Bleibenden dieses Mannes für sich zu nehmen, was
man zu nehmen sich für berechtigt hielt. Eine ungeheure
Zahl von Leit- und sonstigen Artikeln ist schon erschienen,
und die nächste Zeit wird ohne Zweifel manches noch Ausführlichere
, selbst in Buchform, bringen. So wäre es verkehrt,
wenn wir am heutigen Abende uns das ganze Leben in einzelnen
Daten vorführten, aber undankbar wäre es noch mehr,
wenn wir nicht seiner, des langjährigen Vorsitzenden unseres
Vereins, in wenigen Sätzen gedächten.

Kraus war eine ungewöhnlich frühreife Kraft. Es wird
wol selten vorkommen, dass ein 22jähriger junger Mann
eine neue, später hochangesehene Zeitschrift mit einem Artikel
eröffnet, und noch seltener, dass ein solcher Artikel noch nach
40 Jahren seine Bedeutung behalten hat; denn noch ist man
über seinen „Aegidius Colonna" nicht weit hinausgekommen.
Es ist ein Thema der Kirchenpolitik, das der jugendliche Gelehrte
erörtert, die Frage vor allem nach der Entstehung der
Bulle „Unam Sanetam", jenes Dokuments, das auf dem Gebiete
der Kirchenpolitik seine Schatten bis heute, also über G Jahrhunderte
, geworfen hat. Alle glänzenden Eigenschaften des
Schriftstellers Kraus treten hier schon zu Tage: vollste su-
veräne Beherrschung des schwierigsten Stoffes unter Hineinziehung
von fernstliegendem Material, eine krystallklare,
durchsichtige Sprache, die in unsern Tagen wol kaum ein
junger Gelehrter aufzuweisen hat, Sicherheit der Charakteristik
, Iieife des Urteils. Auch jene Eigentümlichkeit mancher
seiner Essays tritt hier schon hervor. Er weiß die Ansichten
anderer ummodelnd sich anzueignen und auf diesen weiter
und in die Tiefe zu bauen. Der Urheber der berührten Frage
ist der Franzose Jourdain, aber nicht von ihm spricht man,
wenn man darauf kommt, jeder kennt da nur Kraus. Das
Studium der Kirchenpolitik hatte ihn erfasst und hat ihn nicht


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