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logischem und provinziftl-kimstgeschiclitlicliom Gebiet sieh die
erstaunlichsten .Einzelkenntnisse erworben, dann etwas für die
Kunstgeschichte mitgebracht, was den meisten Kunsthistorikern
heutiger Tage fehlt, keiner in solchem Maße besitzt: umfassende
theologische Kenntnisse. Seine Kunstgeschichte wird.
für lange Zeit nicht zu ersetzen sein, eben wegen dieser tiefen
theologischen Durchdringung des ganzen Stoffs. Wenn wir
bedenken, dass die Kunst der mittelalterlichen Vergangenheit
fast ganz religiös gedacht ist, so fühlen wir, was gerade nach
der Richtung Kraus leisten konnte und geleistet hat. In kleinen
Sachen hat er auf dem Kunstgebiet oft ein merkwürdig unrichtiges
Urteil, in großen Dingen aber besass er einen sehr
klaren, sicher abwägenden, intuitiven Blick.
Für uns kommt Kraus vor allem in Betracht als Vorsitzender
unseres Vereins, den er 1(5 Jahre geleitet hat. Unter
schwierigen Verhältnissen hatte er ihn übernommen; längere
Krankheit des damaligen Vorsitzenden hatte den Verein der
Auflösung nahe gebracht. Kraus hat sich lange mit großen
Plänen für die Ausgestaltung des Vereins getragen: er wollte
den damals mehr lokalen Verein zu einem allgemein historischen
, kunstwissenschaftlichen und literaturgeschichtlichen
ausbauen; er sollte ein Zentrum aller historisch-wissenschaftlichen
Bestrebungen unserer Stadt werden.
Alles das ist leider bei Plänen geblieben, wie er beim
70jährigen Jubiläum wehmütig resignirt sagte, weil ein müder,
kranker Mann an der Spitze stehe. Aber er hat den Verein
innerhalb bescheidenerer Grenzen zu frischem Leben wieder erweckt
durch die Liebenswürdigkeit seines Wesens, durch seine
eigenen stets fesselnden Vorträge über die verschiedensten
Gebiete der Kunstgeschichte, nicht minder durch die Verbindung
mit hochstellender Stolle, die er für den Verein anzuknüpfen
wusste. So nahm unter seiner Leitung die Zahl
der Mitglieder immer mehr zu. Erst in den letzten Jahren
seiner schweren Krankheit hat er sich nicht mehr mit jener
früheren Hingebung dem Verein gewidmet, aber sein Denken
und seine Liebe galt ihm vor allen Instituten, denen er nahe
stand, auch daim noch. Harte Augenblicke waren es für ihn,
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