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(Jroliherzog Friedrichs Persönlichkeit
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stellt. In dem Sinne, in welchem Goethe die Persönlichkeit „höchstes
Glück der Erdenkindel'" nennt, in welchem ein moderner
Schriftsteller als Kernpunkt einer wahrhaft lebendigen Persönlichkeit
die Verbindung von Herz und Wille in rastlos werbender
Liebe zu einer treibenden Kraft — und was ist das
anders als der Charakter? — bezeichnet.
Wenn ich aus Goethes Tasso den Satz anführe:
„Es bildet ein Talent sich in der Stille,
Sich ein Charakter in dem Strom der Weif,
so darf ich wol sagen, dass dem Großherzog Friedrich von
Baden dieser Nährboden einer starken Charakterbildung nicht
gefehlt hat.
Durch den Tod seines Vaters, durch die unheilbare Krankheit
seines älteren Bruders in jungen Jahren zur Regirung
berufen, kaum dass die Wunden zu vernarben begannen, welche
die/ Revolution von 184!) seinem Lande geschlagen hatte, sah
der wolmeinende und milde Fürst die Arbeiten an der Wiederherstellung
der zerrütteten Organisation des Staats, sein
bald von Erfolg gekröntes Bestreben, Ruhe, Ordnung, Wol-
stand und Vertrauen zurückzuführen, emplindlich gestört durch
die bekannten Konflikte mit der erzbischöflichen Kurie.
Wie der Regent bei jener Tätigkeit nicht an die konstitutionellen
Einrichtungen rühren ließ, die in andern Bundesstaaten
damals offenen Angriffen der Reaktion ausgesetzt
waren, so folgte er als konstitutioneller Fürst den Anschauungen
der damaligen Kammermehrheit, als er sich ent-
schloss, die Lösung jener Konflikte durch Verhandlungen mit
dem päpstlichen Stuhle herbeizuführen. Diese Verhandlungen
fanden bekanntlich ihren Abschluss in einer Vereinbarung,
welche man gewöhnlich, wenn auch nicht ganz zutreffend,
Konkordat nannte. Gegen diese Vereinbarung erhob sich im
Lande ein heftiger Widerstand. Die Zweite Kammer erklärte,
sie sei ohne ständische Zustimmung nicht rechtsverbindlich.
In der Ersten Kammer sprachen sich gewichtige Stimmen
gegen sie aus. Aber obwol durch die Erklärung der Zweiten
Kammer ein bisher nicht bestrittenes Recht der Krone in
Frage gestellt wurde, bewog den Großherzog seine streng kon-
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