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von Weeeh
stitutionelle Gesinnung, sich einem in so bestimmter Weise
zum Ausdruck gebrachten Wunsche der Volksvertretung nicht
ablehnend gegenüber zu stellen. Er enthob die Minister
v. Stengel und v. Meysenbug, welche auch ohne ständische
Zustimmung die Vereinbarung vollziehen wollten, ihrer Amter
und ernannte zu ihren Nachfolgern die Führer der Opposition
in beiden Kammern, Lamey und Stabel. Von vielen andern
Fällen, in welchen sich der Großherzog als streng konstitutionell
gesinnter Fürst bewährte, möge nur darauf hingewiesen
sein, dass er von einem Minister, mit dem er in manchen
Fragen nicht mehr ganz eines Sinns war, sich doch erst dann
trennte, als er erkannte, dass zwischen diesem und der Mehrheit
der Zweiten Kammer nicht mehr volle Eintracht herrsche.
Wenn auch die Vereinbarung mit dorn päpstlichen Stuhle nicht
in Kraft trat, waren doch die ihr vorangegangenen Verhandlungen
nicht ergebnislos geworden. Eine Reihe von wichtigen
Grundsätzen, über welche sich die beiderseitigen Bevollmächtigten
verständigt hatten, kam vielmehr in der bedeutungsvollen
Gesetzgebung vom Oktober 1860, einem der ersten
Werke des neuen Ministeriums, zur Geltung, in der Gesetzgebung
, welche bestimmt war, fortan das Verhältnis der
Kirchen im Staate zu regeln. In der Proklamation vom 7. April
1860, in welcher Großherzog Friedrich „aus der Tiefe des
Herzens Friedensworte an sein teures Volk" richtete, hatte
er es als seinen entschiedenen Willen erklärt, dass der Grundsatz
der Selbständigkeit der katholischen Kirche in Ordnung
ihrer Angelegenheiten zur vollen Geltung gebracht, und dass
diesem Grundsatze getreu auch der evangelisch-protestantisch-
unirten Kirche auf der Grundlage ihrer Verfassung eine möglichst
freie Entwicklung gewährt werde.
Der gleiche Grundsatz sollte aber nach seinem Wunsche
auch auf andern Gebieten des Staats fruchtbar gemacht werden
, „um alle Teile des Ganzen zu dem Einklänge zu vereinen,
in welchem die gesetzliche Freiheit ihre segenbringende Kraft
bewähren kann". Und nichts ist bezeichnender für des Großherzogs
edle und staatsmännische Denkungsart als der Schluss
dieser bedeutsamen Ansprache: „Ohne Hass über Gegensätze,
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