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Martin
wenn auch reizvollen Gemisch voreinigt. Hartmann hat noch
im Erec manches der Art, was er später, besonders in seinem
letzten Werk, im Iwein, streng vermeidet. Er schließt sich
der Sprache der gewöhnlichen Rede an, wie sie an den vornehmen
Höfen der Staufenzeit gebraucht wurde; namentlich die Teilnahme
der Frauen wird hierfür maßgebend gewesen sein. Hartmanns
Rede ist im Ausdruck so fein, im Satzbau so manig-
faltig und beweglich, dass sein Bewunderer, Gotfriod von
Straßburg, wol von seinen kristallenen Wörtlein reden durfte.
Eben dies weist nun hin auf den Verkehr des Dichters
an einem Hofe, wie ihn weder der obere Neckar noch der
obere Rhein damals darboten, wol aber der der Zähringer
einer war. Die Zähringer, besonders Berthold V., hatten zahlreiche
Beziehungen nicht nur zu Südfrankreich, wo Berthold
ja als rector Burgundiae Herrscherrechte in Anspruch nahm,
sondern auch zu den Niederlanden, woher den Oberdeutschen
nach ihrem wiederholten Zeugnis Rittertum und Jiitterdichtung
überhaupt erst kam. Hartmann selbst schildert dies in seiner
Legende von Gregorius. Der Heilige, der durch eine übermenschliche
Buße zugleich die Sünden seiner Eltern abtilgt,
ist einer sträflichen Verbindung von Geschwistern entsprossen.
In einem Kloster aufgewachsen, erfährt er zunächst nicht die
Namen seiner Eltern, sondern nur seine edle Abkunft und
dass die Mittel zu seiner ritterlichen Ausbildung bereit stehen.
Ungestüm verlangt der Jüngling danach. „Ich ward nie mit
Gedanken ein Baier oder Pranke (diese gelten also noch nicht
für ritterlich gebildet): welcher Ritter im Henogau, in Brabant
oder Haspengau (zwischen Löwen und Maastricht) am allerbesten
zu Pferde sass — ich könnt es in Gedanken bass."
Aus den Niederlanden, wo sie namentlich zu Namur nähere
Verbindungen hatten, brachten die Zähringer auch das Verständnis
für die Bedeutung der Städte als fester Stützpunkte
und reicher Einnahmequellen mit an den Oberrhein, und sie
waren höchst eifrig in ihrem Lande Städte zu gründen. So
haben sie Freiburg i. B. 1120 mit neuer Verfassung nach dem
Muster von Köln ausgestattet und sozusagen neu begründet,
so später Freiburg im Üchtland und 1191 Bern.
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