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Aus dem Sprachleben des Wallis
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Vornehme, alles was einen Zylinder trägt und Geld ins Land
bringt, von unten herauf aus dem welschen Land.
Als die Arbeiten am Simplontunnel begannen, bemerkte
ein Handwerker in Brig: „Das sind mir schöne Herren, diese
Ingenieure: die wollen einen Tunnel bauen und können nicht einmal
französisch. Was werden die fertig bringen?" Es war dem
einfachen Mann etwas ganz Neues, als ich ihm sagte, draußen
in Deutschland und in der Ostschweiz brauche man nicht französisch
zu können, und es gebe vielleicht an die 70 Millionen
Menschen, die nur deutsch könnten. So sehr hat das Französische
das moralische Ubergewicht im ganzen Wallis.
Auch die politische Lage ist für die Zukunft der deutschen
Sprache im Oberwallis ungünstig. Es stand damit vor
der französischen Revolution anders. Die Hauptstadt Sitten
war damals deutsch und das welsche Unterwallis ein Untertanenland
der Oberwalliser; da fühlten sich diese in einem
deutschen Staatswesen. Aber heute regiert die Mehrheit ohne
Vorrechte eines Landesteils «vor dem andern, und da nun auch
Sitten französisch geworden ist, so hat sich das frühere Verhältnis
gerade umgekehrt: der Welsche betrachtet die Deutschen
als quantite negligeable, der Deutsche merkt, dass er
in der Minderheit ist. Zwar verkehrt seine Regierung deutsch
mit ihm, aber er sieht, dass es Herablassung, ungern ertragene
Notwendigkeit ist, und wenn er selbst nach Sitten kommt,
so ist er in welscher Umgebung und hat es auf Schritt und
Tritt zu fühlen. Auch dieser Umstand führt ihn also zu dem
Schluss: sobald ich mein Dorf, mein Gebirgstal verlasse, so
ist Französisch Trumpf.
Nimmt man zu diesen Tatsachen hinzu, dass im Wallis
wie überall sonst sich der Deutsche dem Welschen leicht und
gern sprachlich fügt, viel lieber und leichter französisch lernt
als der Welsche deutsch, und dann noch den nicht zu verachtenden
Umstand, dass der Unterwalliser in seinem Französisch
eine Schriftsprache besitzt, der Oberwalliser dagegen
in seinem Deutsch nur einen lokalen Dialekt, so ergibt sich
aus dem allem für das Deutsche eine viel ungünstigere Lage
als für das Französische, deren Hauptursachen aber immer
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