http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zgb1904/0094
88
Blocher
wieder zurückzuführen sind auf die völlige Isolierung des
deutschen Oberwallis.
Wie steht es nun aber mit der Sprachgrenze? Verschiebt
sie sich tatsächlich zugunsten des Französischen? Heute
liegt sie beim Dorfe Siders. Der Ort Siders1 selbst hatte
bei der Volkszählung von 1888 noch eine beträchtliche deutsche
Mehrheit. Aber der Bezirk Siders ist französisch, der daran
stoßende Bezirk Leuk2 dagegen ganz deutsch. Auch der Ort
Siders geht sichtbar zum Französischen über und kann schon
nach der Volkszählung von 1900 nicht mehr zum deutschen
Sprachgebiet gerechnet werden. Die Sprachgrenze fällt daher
mit der Bezirksgrenze zwischen Siders und Leuk zusammen.
Hier haben wir also das Ergebnis, dass sich in der Tat
die Sprachgrenze verschiebt und das Französische um etliche
Kilometer das Tal hinaufdringt.
Eine ähnliche Tatsache nehmen wir nochmals wahr in
Sitten3. Sitten macht heute auf den fremden Besucher den
Eindruck einer völlig französischen Stadt. Das öffentliche
Leben und die Behörden bedienen sich ausschließlich der
französischen Sprache. Deutsche Aufschriften und Aushängeschilder
finden sich fast keine. Immerhin muss es jedermann
auffallen, dass im Verhältnis zu diesen Tatsachen doch auf
den Straßen recht viel deutsch geredet wird, und besonders
auffällig ist es, dass man Kinder beim Spiel sich deutsch
unterhalten hört; das ist ein sicheres Zeichen dafür, dass hier
das Deutsche in der ansässigen Bevölkerung feste Wurzeln
hat. Bestätigt wird dieser Schluss, wenn wir mit den deut-
1 Siders, französisch Sierre, 15 Kilometer oberhalb Sitten an der
Bahn nach Brig, auch als Kurort bekannt.
2 Die Burgschaft Leuk liegt am Ausgang des Gemmiwegs ins
Rhonetal.
8 Sitten, französisch Sion, lateinisch Sedunum, im Gebiete der von
Caesar genannten Seduner, Sitz der Bischöfe von Sitten, deren berühmtester
der Kardinal Matthaeus Schinner gewesen ist, hat heute 6000 Einwohner
. Die Bischöfe führten bis zur Revolution den Titel comes et
praefectus Vallesiae, verloren aber nach und nach ihre politischen Rechte
an die Bauernschaften des Oberwallis. Die bedeutenden Ansätze zur
Reformation wussten sie ohne große Härte zu unterdrücken.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zgb1904/0094