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Aus dem Sprachleben des Wallis

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nicht (sie meinte damit, dass sie das Walliser Deutsch nicht
verstehe). Und das war gleich auf der Reise schon so. In
Lausanne (sie sprach das Wort deutsch aus: La-usanne) fing
es an; da hatte mein Mann an der Billetausgabe zu tun, und
da war schon nirgends mehr natürliches Deutsch." Die Frau
hat auf sechs- oder mehrstündiger Eisenbahnfahrt die ganze
französische Schweiz durchreist und nichts davon gemerkt,
als dass dort „kein natürliches Deutsch" gesprochen werde.
Auch ihr fehlen die Begriffe Sprachgebiet und Sprachgrenze1.

Noch wichtiger ist indessen die Beobachtung, dass in
unsern sprachlich gemischten Gebieten der Begriff der Muttersprache
wankt. Nichts scheint demjenigen, der von Jugend
auf nur eine einzige Sprache gehört und gesprochen hat, einfacher
bestimmbar zu sein und fester zu stehen als der Begriff
der Muttersprache. Aber an der Sprachgrenze gibt es
tausende von Menschen, bei denen dieser Begriff sehr schwankt.
Man kann bei vielen überhaupt im Zweifel sein, welches ihre
Muttersprache ist, ja es gibt Leute, die tatsächlich keine
haben. Bekanntlich wird der Begriff auch verschieden definiert
. Ist es die Haussprache? Oder die seinerzeit zuerst
gesprochene Sprache? Oder die einem zurzeit geläufigste
Sprache? Vor drei Jahren bei der Volkszählung waren nicht
wenige Leute in Verlegenheit. Ich fragte mich z. B., welches
die Muttersprache derjenigen meiner Kinder sei, die zwar
ganz gut deutsch verstanden, es aber noch nicht sprachen.
Ich befragte darum meine deutschen Verwandten; die sagten:
„Kinder, zu denen ihre Eltern von Anfang an deutsch gesprochen
haben, müssen als Deutsche gelten." Aber ich
konnte doch wirklich nicht eine Sprache, die sie nicht sprechen
konnten, als Muttersprache meiner Kinder angeben! Ich
befragte den Volkszähler, und der sagte: „das können Sie
selbst bestimmen." Ich befragte die gedruckten Erläuterungen,
die den Zählkarten beigegeben waren; da hieß es (auf den

1 Vgl. über diese psychologischen Erscheinungen das anregende
Büchlein von Polle: Wie denkt das Volk über die Sprache? Leipzig
1889 bei Teubner.

Alemannia N. F. 5, 1/2. n


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