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Aus dem Sprachleben des Wallis
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hochdeutsch spricht, was wir bekanntlich im Privat verkehr
nie tun. Ich habe mehrfach beobachten können, wie Walliser
Dienstmädchen bei einer aus Norddeutschland stammenden
Hausfrau in kurzer Zeit echt norddeutsche Wörter wie
Junge, Sonnabend, Seihe annehmen, die sich eine Bernerin
selbst nach Jahren nicht aneignen würde. Man könnte geneigt
sein, das als ein erfreuliches Zeichen von der Kraft des
Deutschtums anzusehen; aber das wäre ein Fehlschluss. Der
Grund dieser leichten Anpassung ist das Gefühl, mit dem lokalen
Dialekt sei doch nicht viel anzufangen, und diese Neigung
, die heimatliche Mundart auf Augenblicke aufzugeben,
bekundet eine gewisse Unsicherheit in der Muttersprache, ein
für die Zukunft des Deutschtums im Wallis eher bedenkliches
Zeichen. Ich hörte einst mit Verwunderung einen Oberwal-
liser Gutsbesitzer mit seinem bernischen Pächter aller Schweizerart
entgegen hochdeutsch reden und fragte nachher den
Pächter: „Warum sprecht Ihr denn mit dem Baron hochdeutsch
?" „Damit hat er angefangen", erhielt ich zur Antwort
, „ich weiß nicht warum: ich denke, er schäme sich, mit
einem Berner so ein wüstes Deutsch zu reden, wie es hier
im Wallis Brauch ist." Mein Bäuerlein hatte vielleicht nicht
unrecht! Sicher aber ist, dass der Gutsherr französisch gesprochen
hätte, wenn der Pächter es verstände.
3.
Wo zwei Sprachen nebeneinander leben, ist es unvermeidlich
, dass sie sich beeinflussen, und es müssen sich deshalb
im Wallis Beobachtungen über den Einfluss des Französischen
auf das Deutsche und umgekehrt machen lassen. Das ist
auch in der Tat der Fall, freilich nicht nur im Wallis, sondern
auch in andern stark gemischten Gegenden, besonders im
Berner Jura, und infolge der ungemein starken deutschen Einwanderung
bis zu einem gewissen Grad in der französischen
Schweiz überhaupt. Es ist nun von großem Interesse, diese
gegenseitigen Einflüsse bis ins einzelne zu beobachten. Sie
sind sprachpsychologisch merkwürdig, aber auch noch in anderer
Hinsicht. Wenn sich im schweizerischen Französisch
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