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Blocher
Eigentümlichkeiten oder Veränderungen nachweisen lassen, die
auf den Einfluss der schweizerdeutschen Einwanderung zurückgeführt
werden müssen, so sehen wir da im kleinen ein
Stück Sprachgeschichte vor sich gehen, das uns zeigt, wie
sich seinerzeit in Gallien das Lateinische unter der Einwirkung
der eingewanderten Germanen, oder später das Angelsächsische
unter der Einwirkung der frankonormannischen
Eroberung verändert hat.
Schon das Nebeneinanderwohnen der Sprachen führt ja
zu Beeinflussungen. So gelten allgemein die folgenden Helve-
tismen für Gallizismen: es macht schön Wetter (il fait beau);
es het hie viel Rindvieh (il y a); i ha Durst, i ha warm (j'ai
soif, j'ai chaud), — ob mit Recht ist freilich nicht sicher1.
Dagegen muss hier hingewiesen werden auf unsern großen
Reichtum an französischen Lehnwörtern, die im Schweizerdeutschen
ja besonders zahlreich sind. Und das ist ein wichtiger
Punkt: wenn das Deutsche, vielleicht darf man sagen,
wenn eine germanische Sprache unter den Einfluss einer fremden
Sprache gerät, so macht sich das vor allem in der Entlehnung
von Wörtern geltend. Das Lehnwort ist die
Form, in der sich der Deutsche fremdes Sprachgut
aneignet. Ich darf hier daran erinnern, wie ungemein viele
frankonormannische Wörter ins Englische übergegangen sind,
und wie wenig germanische Wörter im Vergleich dazu die
Völkerwanderung den Romanen zugeführt hat.
Wir alle, die wir an der Sprachgrenze oder in der
Sprachdiaspora wohnen, haben täglich zu kämpfen und sehr auf
uns zu achten, dass unser Deutsch nicht gar zu sehr von Lehnwörtern
durchsetzt und für solche, die nicht französisch
können, unverständlich werde. Am schnellsten und am allgemeinsten
eignen wir uns natürlich technische und administrative
Bezeichnungen an und überhaupt Ausdrücke, die im
öffentlichen Leben gebraucht werden. Dahin sind zu zählen
1 [Sicher mit Unrecht, denn auch unbedingt nicht durch das Französische
beeinflusste deutsche Mundarten, z. B. auf dem Schwarzwald,
zeigen diese Eigentümlichkeiten. P]
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