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Aus dem Sprachleben des Wallis
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die schon erwähnten französischen Bezeichnungen für Dinge
und Personen, die zur Eisenbahn gehören. Sodann ist neben
Staatsrat gebräuchlich Gongseilledeta (Conseiller d'Etat),
neben Wirtshaus Gaffe (Cafe), neben Brauerei Brasserie; für
Hausbesitzer wird in Sitten fast allgemein Proprietär, für
Rebenarbeiter Vigneron gesagt. Dieselben oder ähnliche Erscheinungen
finden sich überall. Der nordamerikanische Temperenzler
wettert über das „Saloonleben" und meint damit das
Wirtshausleben; der französische Fremdenlegionär spricht von
einem „Kamp von 40 Tanten" (un camp de 40 tentes, Zeltlager
), nennt seine Waffe „das Fissi" (le fusil), die französische
Regierung (le gouvernement) „das Gewehrlema" (so hab
ich es geschrieben gesehen!) und reicht ein Gesuch ein um
als Kranker auf „Tisepassioon" (par anticipation, d. h. vor Ablauf
seiner fünf Dienstjahre) beurlaubt zu werden, wobei ihm
vielleicht „d' Isebahn" vorschwebt, die ihn in die Schweiz
zurückbringen soll. — Französische Wörter im Oberwalliser
Dialekt sind z. B. Porte für Türe und Tablieh (tablier) für
Schürze.
Aber auch in andere Gebiete des Lebens dringt das
Fremdwort ein. „Es isch mir öppis g'arriviert." „Hier ist
framboise und hier groseille, jetzt nehmen Sie von beidem
und schüschiren (jugez) Sie dann selber." Das ist Deutsch
aus der Walliser Sprachdiaspora. Der beste Beweis von der
durchdringenden Macht des Fremdworts in der Sprache des
unter Welschen wohnenden Deutschen liegt wol darin, dass
auch die intimsten Lebensgebiete, wie das religiöse, nicht
ganz davon verschont bleiben. Eine brave Bernerin sagt von
einem Trinker, den sie gern seinem Elend entreißen möchte:
„Er will sich gar nit umiliere (humilier)." Noch bezeichnender
: ein Kirchenvorstandspräsident, der am Sonntag morgen
in der Sakristei nach Jesaia 55 („das Wort, so aus meinem
gehet, soll nicht wieder zu mir leer kommen") mit dem
Pfarrer betet: „Lass dein Wort nicht leer zu dir reduhr
kommen."
Das Fremdwort ist die wichtigste, aber nicht die einzige
Entlehnung, die wir beim Französischen machen, wenn wir
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