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Beinert
gen die deutschen Musen neue, dem Wesen der deutschen
Sprache natürlichere Bahnen ein und entfalteten in kurzer
Zeit die ersten Blüten des erwachenden Vorfrühlings. Im
Südwesten Deutschlands, vor allem in Heidelberg und Straßburg
, waren die Pflegestätten, aus denen die neue Kunst
emporwuchs. Der Heidelberger Dichterkreis, gebildet von
Männern wie Balthasar Venator, dem Philologen Cruterus,
Schede, Lingelsheim, Zincgref, Matthias Bernegger u. a., denen
sich auch der junge Opitz beigesellte, verfolgte die ausgeprägte
Tendenz, die deutsche Sprache für alle Zweige der Literatur
kunst- und hoffähig zu machen. Diese Richtung war zum
Teil eine Frucht der noch weiterlebenden humanistischen Studien
des letzten Jahrhunderts: mit dem Klassischen hatte man auch
die Eigentümlichkeiten des Germanischen kennen und verehren
gelernt, man betrieb eifrig die Erklärung der Schriften des
Tacitus, man studierte die neulateinischen Geschichtsquellen
vergangener deutscher Zeitalter1 und schätzte die das deutsche
Element herauskehrenden Chroniken Aventins und Lehmanns.
In scharfem Gegensatze zu den von Westen immer mehr vordringenden
fremden Einflüssen suchte man wieder die Quellen
echten deutschen Lebens auf und schwärmte für die deutsche
Sprache, da sie wie das Lateinische und Griechische „ eine Hauptsprache
" sei. Man sammelte sinnreiche Aussprüche deutscher
Männer und Helden als eine Blütenlese der „alten teutschen
Hauptsprach"; so entstanden Zincgrefs „Teutscher Nation
Apophthegmata", Straßburg 1626, ein treffliches Zeugnis der
in jenen Kreisen lebendigen Bestrebungen2. Aber die ersten
Stürme des großen Kriegs, die auch das pfälzische Kurfürstenhaus
ins Verderben rissen, zersprengten den Kreis der Heidelberger
Dichter, von denen wir Zincgref, Lingelsheim, Bernegger
und Venator in und um Straßburg wiederfinden. 1630
suchte Opitz seine Freunde bei seiner Durchreise nach Paris
auf und blieb auch später mit ihnen in steter Beziehung8.
1 1571 wurde Otfrids Evangelienharmonie ans Licht gezogen und
7on Flacius Illyricus herausgegeben.
2 Auch der junge Moscherosch beteiligte sich an dem Werke Zincgrefs;
vgl. den Schluss des Gesichtes „Totenheer" S. 222 (1642), wo er sagt,
dass er „in Verfertigung seiner (Z.) Teutschen Apophtegmatum arbeite".
3 Besonders mit Moscherosch, den er iri Straßburg kennen lernte.
Vgl. Briefe in der Zeitschr. f. deutsche Phil. 21, 183 ff. (Witkowski).
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