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Deutsche Quellen und Vorbilder zu Moscheroschs Gesichten 163
Der einmal angeschlagene Ton verpflanzte sich nach Straßburg
und wurzelte in einzelnen näherstehenden Gesinnungsgenossen
weiter. Berneggers Haus wurde der Verkehrsort
«iner großen Anzahl junger, aufstrebender Talente wie Wessel,
Scultetus, Weidner und Moscheroschl. Als mittlerweile die
Kriegsfackel über dem ganzen deutschen Volke loderte und
die besten Stützen nationaler Kraft dahingerafft wurden, Sitte
und Tugend von Grund aus verdarben, so dass der einheimische
deutsche Sinn seine Geltung verlor, ja vollständig verkannt
wurde und der Volkscharakter also einer völligen Entfremdung
entgegeneilte, da zog man in diesem Kreise die folgerichtigen
Schlüsse aus den Erscheinungen und verband mit der
heißen Liebe des biederen Deutschtums einen gerechten Hass
und einen beißenden Spott für alle zu Tage tretenden Anzeichen
•der Volksverderbnis. So entstand die Satire. Sie hatte sich in
-Straßburg vorbereitet und musste von hier aus zuerst ihre Geißel
schwingen. In Moscherosch, dem Schüler des Heidelberg-Straßburgischen
Literatenkreises, fand sie ihren kräftigsten und bedeutendsten
Vertreter. Um 1640 erschien der erste, 1643
auch der zweite Teil der „ Gesichte Philanders von Sittewald das
ist Straffschrifften. Hanß Michael Moscherosch von Wilstätt".
Diese satirischen Gesichte mussten notwendig mit dem deutschen
Volksleben in engster Beziehung stehen und, obgleich sie zum
Teil auf ein ausländisches Original zurückgreifen, auch der
deutschen Literatur Quellen und Vorbilder verdanken.
Das hat man bis jetzt noch nicht hinreichend berücksichtigt.
Doch hat sich die Forschung in den letzten Jahrzehnten
mehrfach mit Moscherosch beschäftigt, aber seine schriftstellerischen
Erzeugnisse haben bis heute noch keine übereinstimmende
und abschließende Beurteilung erfahren. Die Meinungen
der Literarhistoriker, die ihm in der Literaturgeschichte
zum Teil eine einseitige Stellung zuweisen, zeigen gerade über
sein Hauptwerk ein bedenkliches Schwanken2.
1 Reifferscheid, Quellen z. Gesch. d. geist. Lebens in Deutschland
während des 17. Jahrhunderts. Bernegger gab 1624 "Wessel und Scultetus
Empfehlungsbriefe nach Paris mit und versorgte letzteren sogar, als
-er in Not kam, mit Geld. Brief 131, 4. Weidner heiratete eine Tochter
Berneggers und lebte später in Ulm. Moscherosch widmete ihm das Gesicht
„ Totenheer".
2 Man vergleiche die abweichenden Urteile über Moscheroschs Gell
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