http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zgb1904/0190
180
Beinert
Ist schon die Satire über die Ärzte im spanischen Originale
von beißender Schärfe, so hat Moscherosch durch neue satirische
Ausfälle unter Brants und Murners Einfluss ihre Wirkung erhöht
. Vor allem hat aber das komische Element des Gesichts
an Frische und Lebhaftigkeit gewonnen. Interessant
ist in diesem Gesichte die Gestalt des unschuldigen Eulenspiegels
unter dem Heere der Toten, der sich über die ihm
zur Last gelegten groben Zoten beschwert; ebenso die Gestalt
des jammernden Niemand — Jener — l'autre — quidam —
S, 250 f., 261, der zu unrecht so vieler Vergehen beschuldigt
worden ist; hier schwebte Moscherosch die Legende vom
hl. Nemo vor, der im 16. Jahrhundert in verschiedenen Gedichten
auftritt. Vgl. Alemannia XVI 193 n°.
Das fünfte Gesicht, „Letztes Gericht", ist fast ausschließliche
Übersetzung von Quevedos „E rneno del juicio final".
Arzte und Apotheker kehren mit Reminiszenzen an Brant
wieder1. Ganz selbständig erweitert Moscherosch die Satire über
Schreiber und Juristen und spitzt feinsinnig seine Worte gegen
den eigenen Stand, dem er angehörte, gegen die Amtleute.
Doch macht sich im „Letzten Gericht" ein Vorbild bemerkbar,
welches in den beiden folgenden Gesichten eine nicht unbedeutende
Rolle spielt, es sind die Schriften des Theologen
Meyfart, die von großem Einfluss auf den Satiriker waren.
So: „Das hellische Sodoma", Coburg 1630, und das „Jüngste
Gericht", Nürnberg 16322. So oft Moscherosch eine Anleihe bei
seiner Quelle macht, zitiert er am Rande Meyfart. So benützt
er in diesem Gesicht das „höllische Sodoma" zur Schilderung
der Auferstehung beim Ertönen der Gerichtsposaune.
Meyfart: Lib. 2, cap. 11, S. 230.
„Jener verfluchet seine Augen [
darumb ] dass er dieselbige zu An-
schawung der Eytelkeit vn Belustigung
der Unreinigkeit mißbrauchet:
Seine Zunge vnd Mund | darumb |
dass er dieselbige zu den Vermale-
deyungen zu den Lügen | zu der
Ketzerey j vnnd zu den Unflatereyen
angewendet hat.
Dieser verfluchet seine Hände |
Moscherosch S. 289 f.
„Die üppige Weltkinder | welche
in Fleischeslust | Augenlust | und
hoffärtigem Leben ihre Tage geendet
hatten | wolten kurtzumb ihre Augen
nicht mehr annemmen noch erkennen
| auß sorge | dieselbe vor dem
Richterstuhl wider sie selbst zeugen
j und jhre ankläger werden möchten.
Die Spötter und Lästerer
wolten auß jetziger ursach jhre
1 Vgl. auch Hinze S. 40 über die Landfahrer.
2 Aus der herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zgb1904/0190