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Deutsche Quellen und Vorbilder zu Moscheroschs Gesichten 185
stellen: die Suenos sind in den letzten Gesichten dieses Teils,
wie schon in den Venusnarren, kaum mehr als Übersetzungsvorlage
zu betrachten. Sie sind eine Anregung für den freischaffenden
Satiriker, wie die deutsche Satire auch. Allerdings
ist das fremde Vorbild die Hauptquelle, aber der Einfluss
der deutschen Satire stellt sich ebenbärtig zur Seite. Er erstarkt
nach und nach in dem Maße, dass an ihm ein ganzer
zweiter Teil der Gesichte herauswächst, ein Gesichtspunkt,
den wir für die Entwicklung der Satire Moscheroschs und die
Charakterisierung der sieben ersten Gesichte im Auge behalten
müssen. In Moscheroschs Text vereinigen sich mehrere Brant-
sche Narrengestalten \ die sich trotz ihrer Verschmelzung noch
erkennen lassen:
(NS 66): „Von erfarung aller land."
NSp b III: „Ich halt den auch nit eytel weiß j
Der all sein sinn leydt vnd sein fleiß |
Wie er erkündt all statt vnd landt |
Unnd nimbt den Zirckel inn die handt |
Das er dardurch berichtet werdt |
Wie breit | wie lang | wie weit die erdt |
Wie dieff vnd ver sich zieh das meer,
vnd was enthalt den letsten spör |
Wie sich das meer zu end der weit
Halt | das es nit zu tal abfeit."
Mit diesem Reisenarren verbindet sich der Sterngucker
in NS 65 „Von achtung des gestirns" (NSp b III und M I) und
endlich der Gebärdenarr in NS 9 „Von bösen sitten". Vgl.
Text NSp E II, ebenso Murner NB 12. Die Verzerrung der
Gestalt des Astrologen und die Stilform erinnern an Fischarts
Darstellung, so dass hier wieder, wie fast durchgehends, das
Dreigestirn Brant-Murner-Fischart deutlich hindurchschimmert.
In dem letzten Gesichte des ersten Teils, „Hofschule",
schöpft Moscherosch, wie nur in wenig andern, aus seiner
eigenen Erfahrung. In Dagsburg hat er das „vitam aulicam"
kennen gelernt; er sagt darüber S. 524: „Ich selbst verlor in
solchem Leben mein eigen Leben | ich war toll und todt."
Moscherosch legt zwar Quevedos Discurso „de todos los dia-
blos, ö infierno enmendado" (sedition infernale bei Geneste) zu
Grunde, versucht jedoch die eigene Satire über das Hof leben
1 Vgl. Hinze S. 46 über den Adel, S. 53 u. 55 über die Kaufleute
(nach Murner).
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