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Deutsche Quellen und Vorbilder zu Moscheroschs Gesichten 203
hat | das er bersten möchte | vberwindet er doch alles als ein Milter
Mann mit güldener gedult. . . . Auch wan schon einem solchen Mann das
gewissen soweit auffwachet | dz er sihet vnd fühlet | das Kind seye nicht
ihm | sondern einem andern Flögel ähnlich; so darff er es doch nicht
widersprechen; sondern muß der Mutter heiliglich glauben zustellen |
wan sie sagt: Ach ja wohl | man darff nicht fragen wem das Kind gleich
sehe | man sehe nur den Vatter an: es siehet ihm in allem gleich | es
wird ein Haar bekommen wie der Vatter: es hat ein Stirn wie der
Vatter: es hat Augen wie der Vatter: es lächelt wie der Vatter | es
schmutzelt | es weynt wie der Vatter: guck Hensel | da ist der Vatter:
sieh Lipsel | wo ist der Deyte? Horn-Vatter | was unser Kind sagt!
0 der übermänschlichen gedult vieler Männer! 0 der grossen boßheit
vieler Weiber!"
Der Ehemann spielt hier dieselbe Rolle wie in der Gäuchmatt
Murners, und die ganze Stelle ist wie aus Murners Geist geschrieben
. Der gutmütige, betrogene Mann, der sich mit
stummem Gehorsam der weiblichen Herrschaft unterstellen
muss und auf zweifellose Unmöglichkeiten nicht einmal eine
Gegenvorstellung wagen darf, ist eine gut gelungene Schöpfung
durch Murners Einfluss. Den Anstoß zu dieser Szene gab die
Moscherosch schon in den Venusnarren S. 135 geläufige, witzige
Anspielung, dass die Männer auf die Reise und auf die Messe
ziehen, aber trotz der langen Abwesenheit „alle drey viertel
Jahr ihr Kind ohne fehl in der Wiege finden". Dieselbe
Stelle findet sich fast wörtlich in Fischarts Gargantua S. 35
(Nat. Lit.) „Und ist doch wahrlich nach des Bokazie meynung
mißlich dieweil die Kaulfleute verreisen und die Edelleut in
den Krieg ziehen" usw. (wie oben).
Eine besondere Freude macht es Moscherosch, die im
Elsass gebräuchliche, hörnerartige Kopfbedeckung der Frauen
einer längeren satirischen Betrachtung zu unterziehen.
Schon Brant spottet über diese sonderbare Tracht der
Weiber, NS „vorred":
NSp Einl. III: „Wicklen vil hudlen inn die zöpff
Groß hörner machen auff die Köpff
Als ob es wer ein grosser Stier.
Sie gehnt her wie die wilden thier."
Moscherosch will die Kopftracht nicht mit der satirischen
Strenge Brants tadeln; er lässt sich bloß in harmlosen und
witzigen Einfällen über sie aus:
S. 317: „Die Hörner sind so eine böse Tracht nicht als man in
Teutschland darfür haltet: es wäre den Wahlen übel gesagt | wenn sie
deren manglen solten."
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