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Drei Fabeln aus Cgm. 1020
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bei der Sibillen Weissagung benutzt zu sein scheint. Nirgends
energische Worte, immer nur Resignation. Das zweite Gedicht
Peter Bockers, Bl. 48a—49a, besteht aus moralischen
Lehren und Sentenzen. Ursprünglich war es wol als eine
Auslegung der zehn Gebote gedacht, es haben aber deren nur
einige wenige neben andern Sätzen der christlichen Moral
ihre Auslegung in dem Gedicht gefunden. Das häufige Uberspringen
ohne jede Vermittlung von einem Gegenstand auf
den andern macht sich in dem zweiten Gedicht Bockers,
eben seines sentenzhaften Karakters wegen, nicht so unangenehm
bemerkbar wie in dem ersten. Beide Gedichte
sind noch nicht gedruckt. Bl. 49b—50a folgt ein ziemlich
schwaches, ebenfalls noch ungedrucktes Meisterlied, Im aug-
spitz Conrads von Wirtzpurg, das die Auferstehung
Christi und die dabei und danach geschehenen Wunder behandelt
. Bl. 50ft—52a steht dann ein Schwank von der faulen
Tochter und dem faulen Pferd eines Kitters. Am Schluss
nennt sich der Dichter: Mysner. Der Inhalt ist folgender:
Ein Ritter hat eine faule Tochter und ein faules Ackerpferd.
Sein Nachbar ist ein Bauer, der berühmt ist, faule Frauen und
faule Pferde behende zu machen. Dieser hält bei dem Ritter
um die faule Tochter an. Schweren Herzens gibt sie der
Ritter dem Bauern zur Ehe. Am ersten Tag geht der Bauer
früh aufs Feld und überträgt seiner Frau den Haushalt. Als
er nach zehn Stunden heim kommt, findet er kein Feuer auf
dem Herd und seine Frau liegt noch im Bett. Als der Bauer
ihr droht, er wolle sie wach machen und koste es ihr Haut
und Haar, schilt die Frau die Katze, die beim Herd gerade
schnurrt und sich dehnt, und droht ihr, dass es ihr am
nächsten Tag übel bekommen werde, wenn sie wieder so spät
aufstünde. Als der Bauer am zweiten Tag nach Hause kommt,
findet er seine Frau und die Katze wieder schlafend. Da
nimmt er einen Stock, trägt die Katze zu seiner Frau ans
Bett, und befiehlt ihr die Katze zu halten, damit diese die
verdiente Strafe erhalte. Als der Bauer darauf die Katze
durchprügelt, fängt diese an die Frau am ganzen Körper zu
zerkratzen, und der Bauer setzt das so lange fort, bis die Frau
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