http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zgb1906/0334
Zu Rembrandts 300jährigem Geburtstag.
Vortrag zu einer Kollektion Rembrandtscher
Zeichnungen.
Von Andre Jolles.
Gedächtnisfeiern großer Verstorbenen sind nicht ohne
Gefahr für die, die sie begehen. Erstens ist die Chance nicht
gering sich etwas lächerlich zu machen, denn im selben
Moment, dass wir unserer Heroen feierlich gedenken, ruht
auf uns die Verpflichtung, zu beweisen, dass wir ihrer, wenn
auch nicht vollends, doch wenigstens etwas würdig sind. Dieses
aber gelingt nur selten.
Das Rembrandtfest, das meine Landsleute vor einigen
Monaten feierten, und auch die Schillerfeste, die uns allen
noch frisch im Gedächtnis liegen, sie tragen nur zu sehr den
Charakter, als ob die Angeschwärmten noch lebten, und man
die Absicht hätte, ihnen auf ihren 70. Geburtstag einige angenehme
Stunden zu bereiten. Festreden in geschmückten
Sälen, Feuerwerke, enthüllte oder bekränzte Statuen, Gedenksteine
, Zeitschriftaufsätze, Gelegenheitspoesien, dieses alles
ist ergötzlich und unterhaltend, aber schöner und erhabener*
würde es sein, wenn in solchen Zeiten nicht nur die holländische
Malerei und die deutsche Dichtkunst beweisen könnten,
stolze Nachkommenschaft eines Rembrandt oder Schiller zu
sein, sondern auch der Nichtdichter und Nichtmaler zeigen
könnte, wie sehr er in seinem Tun und Handeln, in seinem
Geschmack und in seiner Lebensanschauung Fleisch von dem
Fleisch und Blut von dem Blut jener großen Ahnen sei.
Es ist keine Schande für ein Volk, an einem bestimmten
Augenblick kein Genie aufweisen zu können, aber es ist
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