Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465
Gesellschaft für Beförderung der Geschichts-, Altertums- und Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und den Angrenzenden Landschaften [Hrsg.]
Zeitschrift der Gesellschaft für Beförderung der Geschichts-, Altertums- und Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und den Angrenzenden Landschaften
22.1906
Seite: 312
(PDF, 69 MB)
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Jolles

vergänglichen, sie kennt keine Grausamkeit und kein Mitleid
mit menschlicher Trübsal, sie lächelt über Shakespeares verstorbenen
Sohn, über Rembrandts Armut, Beethovens Taubheit
, sie weiß nur von Hamlet, von der Nachtwacht, der
Neunten Symphonie und von ihrer gottbegnadeten Wirkung
auf alle Menschen und Zeiten.

Es sind wol die geschilderten Gefahren gewesen, welche
den Verein für Geschichtskunde veranlasst haben, Rembrandts
300jährigen Geburtstag einige Monate nach dato, nun die
festlich gestimmten Gemüter sich etwas beruhigt haben, zu
feiern, und ich glaube, in seinem Sinne zu handeln, wenn ich
keine schwungvolle Jubiläumsrede zu halten versuche, sondern
Ihnen mit wenigen Worten erklären will, warum wir gerade
Reproduktionen nach Zeichnungen Ihnen heute abend vorführen
.

Diese Zeichnungen repräsentieren eine Seite des Meisters,
die mich immer besonders angezogen hat und die ihn, wie
mir scheint, von andern großen Malern unterscheidet. Das
Betonen einer solchen Seite ist allerdings wieder etwas heikel.
Es ist vielleicht eine der eigenartigsten Eigenheiten eines
jeden Genies, dass es entgegengesetzte Qualitäten, von denen
jede einzelne genügen würde, den Charakter eines Künstlers
geringeren Rangs zu bestimmen, glücklich zu vereinigen
weiß. Legt man nun zu viel Nachdruck auf eine einzelne
Eigenschaft eines großen Künstlers, so kann man leicht dabei
vergessen, dass er die entgegengesetzte Qualität in nicht unbedeutenderem
Maße besitzt. Es ist mir oft passiert, dass
ich, während ernste Kenner mit Feuer und Überzeugung verkündeten
, dieses oder jenes sei das essentiell Dramatische bei
Shakespeare, bei mir selbst zu dem Schluss kam: „Recht hast
du, mein Lieber, aber das Gegenteil ist nicht weniger essentiell
und nicht weniger dramatisch bei ihm." So geht es auch
mit Rembrandt. Sagt mir jemand, Rembrandt sei einer der
größten und stärksten Realisten, die je gelebt haben, so muss
ich dem zustimmen, aber ich antworte mit der Wiederfrage:
„Ist er nicht zu gleicher Zeit einer der größten Romantiker,
der größten Phantasten, der größten Idealisten?" Höre ich,


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