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Jolles
(1580—1666), Velasquez (1599—1660), van Dyk (1599 bis
1641), sie alle beweisen in ihren Porträts, dass sie Mor, oder
wie er in Spanien heißt, Antonio Moro, kennen und von ihm
gelernt haben. So stammte auch Rembrandt in doppeltem
Sinne von Jakob Cerneliß van Oostzaenen ab: Erstens in
seiner Anatomie über die Linie des Dirk Jacobß usw.,
zweitens in seinen Porträts über die Linie Scorel-Mor.
Aber diese großen Zeitgenossen waren, wie wir schon
sagten, alle älter als Rembrandt und jeder von ihnen war in
seiner eigenen Umgebung ein Modemaler, dessen Ruhm feststand
in dem Moment, als Rembrandt nach Amsterdam kam.
Schon 1623 hatte Velasquez spanische Königsporträts gemalt,
die ersten Schützenstücke des Franz Hals fallen zwischen
1616 und 1627. In den zwanziger Jahren verkehrt Rubens
an den Höfen in Paris und Madrid, und bekommt van Dyk
durch seine Porträts einen Weltruhm. Obwohl nun Rembrandt
von dieser Kunst natürlich nicht alles zu sehen bekam,
gelangte doch von dieser höfischen Malerei genug nach Amsterdam
, das zu den größten Handelsstädten des Festlandes zu
gehören anfing, um einem jungen Maler den Kopf zu verwirren
. Aus dem Anfang der dreißiger Jahre datieren nun
jene etwas glatt gemalten Porträts, die, wenn wir dieses
Adjektiv gebrauchen dürfen, weniger rembrandtisch sind und
weniger persönlichen Stil verraten, wie die Familienbilder von
früher und wie alle seine späteren Sachen. Gerade weil die
großen Maler gewissermaßen dieselbe Abstammung hatten wie
er und, man könnte sagen, mit ih*i verwandt waren, schien
ihr Einfluss um so gefährlicher. Deshalb bilden die zehn
Jahre von 1632 bis 1642, die Zeit, die zwischen der Anatomie
von Tulp und dem Schützenstück des Banningck Kock liegt, das
man gewöhnlich die Nachtwacht nennt, Rembrandts Periode
des Ringens und des Siegens. Und wieder ist es, was ich
seine Neugier genannt habe, was ihm zum Sieg verhilft.
Nicht die neuen Lichtprobleme unterscheiden die Nachtwacht
von der Anatomie und von allen andern Massenporträts und
machen sie zu der Revolution und zugleich zu der Apotheose
des holländischen Schützenstücks, aber wohl die Tatsache,
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