Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465
Gesellschaft für Beförderung der Geschichts-, Altertums- und Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und den Angrenzenden Landschaften [Hrsg.]
Zeitschrift der Gesellschaft für Beförderung der Geschichts-, Altertums- und Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und den Angrenzenden Landschaften
22.1906
Seite: 330
(PDF, 69 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Public Domain Mark 1.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zgb1906/0354
330

Anzeigen und Nachrichten

Wilhelm Wundt in seiner „Völkerpsychologie", II, 2 „Mythus
und Religion"9 ausgesprochen. Danach hat das Blut allüberall
beim Opferkult eine große Rolle gespielt. Es ward als Seelenträger
angesehn. Darin liegt der Ursprung des Kannibalismus,
der hervorgegangen ist aus dem Streben, sich die seelischen
Kräfte des Getöteten durch den Genuss von Körperteilen eines
solchen, besonders des Bluts und Fetts, anzueignen. Wahrscheinlich
hat nirgends den primitivsten Stufen der Kultur der
Kannibalismus gefehlt. Ähnlich wie gegenüber dem Menschen
verhielt man sich gegenüber dem Totemtier, in dem man sich
eine der menschlichen überlegene seelische Macht dachte. Auch
diese glaubte man sich durch den Genuss seines Fleischs und
Bluts anzueignen. Eine Änderung des Verhältnisses tritt dann
dadurch ein, dass man im Opfer den Dämon oder Gott zu versöhnen
oder für seine Wünsche zu gewinnen glaubt, dass man
ihn an dem Genuss teilnehmen lässt. So ist denn das blutige
Opfer die Darbringung des Menschen oder Tiers als Speise für
den Gott und die Opfernden. Die Verbreitung des ausschließlichen
Tieropfers hat dann den Menschen von der furchtbaren
Last, die ihm der Opferkultus auflegte, erlöst. Diese Ablösung
klingt deutlich nach in der israelitischen Legende von Isaaks
Opferung.

Auch die Semiten haben Kannibalismus und Blutgenuss
gehabt10, und Spuren davon finden sich noch in später Zeit.
An seine Stelle trat das blutige Tieropfer, bei dem das Blut
auf den Opferstein ausgegossen, also allein zum Genuss des
Gotts bestimmt ward. Dass die mosaische Lehre so eindringlich
vor dem Blutgenuss warnt, kann auch in einer andern
neuern Auffassung von der Tierblutseele begründet sein, nach
der der Genuss des Tierbluts dann tierisch macht.

Auch bei uns spielte und spielt noch das Blut als Heilmittel
eine große Rolle — offenbar ein Nachklang aus ältester
Zeit. Wem ist nicht Hartmanns von Aue Armer Heinrich
bekannt? Wer dächte nicht an die versuchte Heilung des
Papsts Innozenz VIII. ? Bekannt ist es als Heilmittel gegen
Fallsucht. Ein vor wenigen Jahren verstorbener Verwandter

9 Leipzig 1906. Besonders S. 15, 17, 162, 334—337.

10 W. Robertson Smith, Die Religion der Semiten. Deutsche
Übers, nach der 2. Aufl. v. R. Stübe. Freiburg i. B., 1899, S. 240. Vgl.
auch S. 169, 173.


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zgb1906/0354