http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zgb1908/0156
146
Beck
Mächtig kämpfen die Wind itzt gegen einander; es wälzen
Wellen sich gegen Wellen; es zagt der verwegenste Schiffer
Unter dem Streit. Itzt aber gewinnen des beßern Ostwinds
Kräfte den Sieg, und treiben den Sturm zurück in die Alpen.
Grünliche Wellen durchtragen den See, vom Odem des Ostwinds
Frölich belebet. Er schwellt günstig die Segel, und muthig
Steuert der Schiffer zum lange gewünschten Ufer.
Und ihm folgt, umflatternd das Schiff, der gesellige Albok1,
Und er fürchtet sich nicht; der Schiffer sieht ihn gerne,
Locket und wirft ihm Brod in die Wellen. Mit richtigem
Fluge
Nimmt er's heraus, und dankt mit freudig schlagenden Flügeln.
Und nun eilet der Tag zum Abend hinunter; die Sonne
Uebergüldet im Abzug die Fläche des mächtigen Sees.
Nur der himmelgethürmte Mesm er2 noch sendet die letzten
Stralen zurück, und Hesperos winkt die Dämmerung herüber.
Dunklere Schatten entsinken dem Berg. Die Ferne verlieret
Sich dem forschenden Blick — Hier will ich die Nacht und des
Mondes
Ankunft erwarten, ein Schauspiel, das immer mein Auge vorzüglich
Liebet und sucht — Ein schauerndes Dunkel und feyernde Stille
Staunt um mich her; nur plätschernde Wellen und schimmernde
Würmchen,
Die das nahe Gebüsch beleuchten, und blinkende Sterne
Reden noch Leben. — Doch itzt erhellt sich des schwärzenden
Berges
Rücken. Jetzt tritt er hervor, der Mond, mit langsamen
Schritten,
Und mit glühendem Antlitz; so gleicht die keuschere Wange
Der verschämten Braut, die das Hochzeitbette verlaßend,
Selbst der vertrautesten Freundin ins Aug zu sehen nicht waget.
0 wie liegt die ganze Natur in stiller Entzückung!
Und wie erhebt dich Gott! in all deinen Geschöpfen!
Du bist groß in dem Licht des Himmels in leuchtenden
Welten,
Groß und herrlich im Wurm, der im Gebüsche dort schlimmert! —
1 Albok, Allebock, ist am Bodensee und südlichen Oberschwaben der
Volksname für die daselbst einheimische Möve (laurus; Wasservogel).
2 Mesmer, eine Erhöhung in der Säntis- oder Alpsteingruppe.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zgb1908/0156