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Beck
Ihrer schmeichelnden Lippe Geflüster
Wie ihres Geschützes Donner4,
Auch kost, und zürnte dir vergebens —
Deines Besitzes nicht würdig — Der Gallier,
Ha Schmeichelei nicht noch Drohung
Bewog deine eiserne Brust
Zur Uebergabe.
Du wirst behalten den Kranz!
Du entstandst nicht aus Ruhmsucht und Stolz,
Voll wühlenden Dranges nach Freiheit,
Erbauten dich Aeschachs5 redliche Bürger,
Als Hungarias bewaffnete Söhne,
In jener Eigenthum hausten.
Vm der goldenen Freiheit willen,
Entstandst du,
Dies weiß dein Schutzgeist;
Er bewahrt deinen Kranz
Und schwebt segnend über dir —
Deutsche Venetia!
Zum Schlüsse widmet der ob dem Anblick der herrlichen
Landschaft wonnetrunkene Dichter den Bewohnern Lindaus überhaupt
den Umwohnern des Bodensees nachfolgende begeisterte,
mit der Mahnung zur Zufriedenheit verbundene Ansprache:
0! Ihr glücklichen Bewohner dieser Städte!
Euch gibt alles die Natur im Ueberfluß —
Traubenhügel, Bäume, Fluren, Blumenbeete,
Blühen Euch zur Freude, reifen zum Genuß.
Untermischte Reize, die die Seele weiden,
Schweben, wie in keiner Gegend — rundumher.
Ist ein Volk dies Vorzugs wegen zu beneiden,
So bist dus auf deiner Insul desto mehr.
Wenn dein Aug die Schweizer Alpen in der Ferne,
Um sich her die spiegelhelle See erblickt
Tief in ihrem Schoos die Sonne — oder Sterne —
4 Im Jahre 1647 wurde Lindau vergebens durch die Schweden unter
W ran gel längere Zeit belagert und von den Österreichern unter General
Graf v. Waldburg-Wolfegg aufs tapferste verteidigt.
8 Bekannter lieblicher in einem Meer von Gärten, Villen, Reben und
Obstbäumen gelegener Vorort Lindaus.
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