Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465
Gesellschaft für Beförderung der Geschichts-, Altertums- und Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und den Angrenzenden Landschaften [Hrsg.]
Zeitschrift der Gesellschaft für Beförderung der Geschichts-, Altertums- und Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und den Angrenzenden Landschaften
24.1908
Seite: 222
(PDF, 69 MB)
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222

Pfaff

an der Straße, wo sie sich nach Mahlberg zieht. Da erschraken
wir auf den Zuruf. Mein Sundel aber sagte: „Komm doch,
Bruder, wir wollen sehen, wer uns so zurief." Nun gingen
wir in vollem Eifer bis auf ungefähr sechs Schritte gegen die
Linde, machten dann Halt und siehe! da sass unter derselben
eine kleine zusammengerumpfte, fest an die Linde lehnende
Figur, die mit einem runden Schlapphut, der ganz über ihr Gesicht
herunterhing, bedeckt war. Je länger wir die Gestalt ansahen
, je kleiner und kleiner kam uns das Ding vor, und es
blieb gar nichts mehr übrig als der Schlapphut. Sehen konnten
wir gut, indem uns der liebe Mond durch die Äste der Linde
dazu leuchtete. Ich sagte dann: „Komm, Sundel, wir wollen
doch den Kerl genau betrachten und ihn doch auch fragen,
warum wir gefallen sind, indem gewiss er uns zugerufen hat,
,Aber ich weiß es', und gibt er uns keine Antwort, so schlagen
wir ihm unsere Stöcke um den Kopf, so dass er gewiss
an alle Kinder Israel denken und keines mehr so foppen wird."

Nun riefen wir ihn an, indem wir einige Schritte zurück-
huften; aber der kleine Kerl gab uns auf unser Rufen „Wo
bist du, kleiner Kerl?" keine Antwort. Nun riefen wir zum
zweitenmal — wieder keine Antwort, sondern er krümmte sich
zusammen wie eine Schlange, ja er wurde immer kleiner. Nun
sagte ich: „Komm doch, Sundel, wir wollen jetzt auf das Ding
los." Wir schrien aber, was wir konnten, zum drittenmal: „Wer
bist du?" — auch diesmal keine Antwort. Nun gingen wir in
vollem Zorn auf das Ding zu und schlugen wie ganz unbesonnen
mit unsern Stöcken drauf und drauf.

Aber was geschah uns! Beim dritten Schlag, den jeder
von uns beiden auf den vermeinten Schlapphut tat, da fuhr
meines Bruders Stock mir an den Kopf und mein Stock an
seinen Kopf, so dass uns das Schlagen verging und wir zur
gleichen Zeit halb ohnmächtig zu Boden stürzten. Dabei stieß
die Gestalt ein helles Gelächter aus und rief uns zu: „Aber
jetzt wisst ihrs!" Nun kam endlich unser Fuhrmann Andres
mit seinem Wagen auf dem Buck an und sah uns so beide in
der Ohnmacht auf dem Boden beisammen liegen; er schüttelte
zuerst den Sundel, dann mich, denn er glaubte, wir schliefen;
endlich erwachten wir wie aus einem Traum. Andres sagte:
„Ihr habt gut geschlafen, oder seid ihr geschlagen worden, dass
ihr so auf dem Boden hier unter der Linde liegt?" „Nein",


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