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Schwarzmaier
Forsdier beschäftigt hatte die jedoch nun unter veränderter Perspektive erneut zu
einem Forsdiungsanliegen geworden war2!. Sollte es gelingen, die Führungsschichten
der Karolingerzeit im Sinne agnatischer Abstammung weiterzuverfolgen, so mußte
die Genealogie adliger Familien auch für die Reichsgeschichte zu einer Quelle reicher
Erkenntnis werden. Wesentlich für die Weiterführung dieser Probleme war die von
Teilenbach vorgenommene Zusammenstellung der führenden Persönlichkeiten des
karolingischen Reiches und ihrer Verwandtschaftskreise 23, in denen er die Vorläufer
der principes von 1180, der Angehörigen des jüngeren Reichsfürstenstandes, sah84.
Die dem Forscher erwachsenen Schwierigkeiten wurden immer wieder unter dem
Schlagwort der „quellenarmen" Zeit subsummiert. Gemeint ist das ottonische Jahrhundert
, dem in Alemannien die Zeit der reichen Urkundenüberlieferung aus
St. Gallen, Lorsch, Weißenburg vorausgeht, während dann in der 2. Hälfte des
11. und im 12. Jahrhundert aus Hirsau und Petershausen, Zwiefalten und Allerheiligen
in Schaffhausen, St. Georgen und aus dem Umkreis der Weifen in Ravensburg
-Weingarten Quellen überliefert sind, die über die Geschlechtergeschichte Schwabens
erneut Auskunft geben. So konnten eine Reihe von Dissertationen im 12. Jahrhundert
einsetzen und versuchen, die Geschichte eines hochmittelalterlichen Grafengeschlechts
in die frühere Zeit zurückzuverfolgen25, und andere Arbeiten zielten
darauf hin, die Nachkommen der führenden Personen des 9. Jahrhunderts zu ermitteln86
: doch immer wieder mußte mit Hilfe gelehrter Hypothesen die Zeit überbrückt
werden, in der man die schriftlichen Aussagen der Quellen vermißte.
Ein vielleicht entscheidender Anstoß, dieses Unvermögen in eine echte historische
Erkenntnis umzumünzen, ist einigen Arbeiten zu verdanken, die mit Hilfe des bisher
unausgeschöpften Materials der alemannischen Verbrüderungsbücher unternommen
wurden. In ihnen sind die Tausende von Namen Lebender und Toter zu finden
, die in das Gebetsgedächtnis der Abteien Reichenau und St. Gallen aufgenommen
wurden Damit ließ sich die Adelsgesellschaft des 9.-11. Jahrhunderts in ihrer
ganzen Breite näher kennzeichnen !8. Gewiß war es auch jetzt nicht möglich, den
Adel in zeitlicher Folge im Sinne klar nachvollziehbarer Filiationen herauszustellen.
!1 Als Paradigma Tgl. L. Schmid, Geschichte der Grafen v. Zollern-Hohenberg und ihrer Grafschaft
, 1862; Ders., Der Urstamm der Hohenzollern und seine Verzweigungen, 3 Teile, 1884—1888
SI £. Klebel, Zur Abstammung der Hohenstaufen, ZGO 102 (1954); H. Decker-Hauff, Burgfelden
und Habsburg, ZWLG 11 (1952); Ders., Die Ottonen und Schwaben, ZwLG 14 (1955)
*■ G. Teilenbach, Königtum und Stämme in der Werdezeit des deutschen Reiches, Quellen und Stud.
z. Verf.gesch. des dt. Reiches in MA. und Neuzeit VII, 4 (1939)
24 Ders.: Vom karolingischen Reichsadel zum deutschen Reichsfürstenstand, in: Adel und Bauern im
deutschen Staat des MA., 1943, jetzt in: Wege der Forschung 2, 1956
** K. Schmid, Graf Rudolf v. Pfullendorf und Kaiser Friedrich I. (Forschungen zur oberrh. Landes-
gesch. 1), 1954; H. Weis, Die Grafen v. Lenzburg und ihre adlige Umwelt, Diss. phil. Freiburg
1959 (ungedr.)
M Vgl. Anm. 20; dazu schon G. Meyer v. Knonau, Zur älteren alemannischen Geschlechtskunde, Forschungen
z. deutschen Geschichte 13 (1873) S. 69 ff., und E. Knapp, Die Ulriche, ein frühmittelalterliches
Geschlecht am Bodensee, SVG Bodensee 36 (1907) S. 11 ff., Ders., Die älteste Buchhorns
Urkunde, WVjh f. Lg. NF 19 (1910) S. 155 ff.
n ed. Paul Piper, MG Libri Confraternitatum, 1884
18 K. Schmid, Königtum, Adel und Klöster (wie Anm. 20); Ders., Kloster Hirsau und seine Stifter
(Forsch, zur oberrh. Landesgesch. 9), 1959; Ders., Neue Quellen zum Verständnis des Adels im
10. Jh., ZGO 108 (1960); H. Keller, Kloster Einsiedeln im ottonischen Schwaben (Forsch, z.
oberrh. Landesgesch. 13), 1964
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