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WALTER STETTNER
Stadtwüstungen im Gebiet des oberen Neckars
und der oberen Donau
Reinhold Rau, Tübingen, zum 70. Geburtstag
Unsere kleineren Landstädte haben zumeist um die Mitte des 13. Jahrhunderts
ihren Stadtcharakter erlangt. Viele von ihnen wurden in Anlehnung an Burgen,
auf einer Anhöhe oder auf einer Bergnase, jedenfalls an Plätzen, die einen starken
natürlichen Schutz boten, angelegt; ich möchte sie der Kürze halber Wehrstädte
nennen. Aus der Fülle der Beispiele erwähne ich Sigmaringen, Veringenstadt,
Hechingen, Haigerloch, Horb, Schömberg und Mühlheim an der Donau. Einige
Städte fügen sich diesem Schema nicht ein, wie Balingen, Ebingen, Mengen. Bei
ihrer Gründung ließ sich der Stadtherr offenbar mehr von wirtschaftlichen Erwägungen
als von solchen der Verteidigung leiten. Sie werden hier als Marktstädte
bezeichnet. Die Ausdrücke „Wehrstadt" und „Marktstadt" sind jedoch nicht als sich
ausschließende Gegensätze zu verstehen; wahrscheinlich wurde bei jeder Stadtgründung
an die militärische Sicherung, aber auch an wirtschaftliche Vorteile, häufig
überdies an die Schaffung eines Verwaltungsmittelpunktes für die sich bildenden
Territorien gedacht. Indessen gab, wie es scheint, bei den Überlegungen der Herren,
an welchem Platz sie am vorteilhaftesten eine Stadt anlegen könnten, hier die Rücksicht
auf Sicherheit, dort die auf Handel und Gewerbe den Ausschlag. Je entschiedener
nun der Wehrcharakter der Städte betont wurde, desto geringer war in der
Regel ihre wirtschaftliche Bedeutung, ja manche kümmerten förmlich dahin wie
Aach und Blumenfeld im Hegau oder Berneck und Zavelstein im Schwarzwald.
Denkt man den Schrumpfungsprozeß zu Ende, so müßte es Wehrstädte geben, die
ganz eingegangen sind. In der schwäbischen Literatur ist darüber, soviel ich sehe,
noch nicht zusammenhängend gearbeitet worden.
Ehe ich versuche, einige solcher Fälle nachzuweisen, sei kurz ein chronologisches
Problem gestreift. Im Raum zwischen oberem Neckar und oberer Donau geht, wenn
ich recht beobachtet habe, die Anlage von Wehrstädten der von Marktstädten voraus:
Für Haigerloch wird ein Schultheiß zuerst 1237 bezeugt, Mühlheim 1241 als bur-
gum erwähnt, in Horb sind Schultheißen seit 1244, in Oberndorf vor 1251, in Verin-
gen 1251 nachzuweisen. Zu den selteneren Marktstädten gehören Balingen, das
1255 zur Stadt gemacht wird, Mengen, das seit 1257 ein paarmal Freimengen genannt
wird und da wohl Stadt war, Ebingen, das seit 1285 als Stadt bezeugt ist,
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