http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1966/0049
VORWORT
Erinnerungen an Rhäzüns in Hohenzollern
Die Gewölbeschlußsteine zahlreicher spätgotischer Kirchen, vor allem bei den
in Städten gelegenen Stifts- und Klosterkirchen, weisen Wappen auf. Es sind in der
Regel Wappen der Familien, die einen meist größeren Beitrag zum Neu- oder
Erweiterungsbau geleistet haben, in den Städten Wappen des Patriziates oder
benachbarter Adelsgeschlechter. Man hat diese Stifterwappen mit Recht als „steinerne
Urkunden" bezeichnet, denn oft sind sie es heute noch allein, die uns von
den Stifterfamilien Kunde geben.
In der ehemaligen Franziskanerkirche St. Lützen in Hechingen, einem der
interessantesten Bauwerke der Spätrenaissance im deutschen Südwesten, enthält das
gotisierende Langhausgewölbe auch eine ganze Reihe farbiger Wappen in reich
verzierten Kartuschen *, Da der Neubau der Kirche fast ausschließlich von dem
kunstsinnigen Grafen Eitelfriedrich IV. von Zollern in den 80er Jahren des
16. Jahrhunderts finanziert wurde, sind es - vom Wappen des Grafen und seiner
Gemahlin abgesehen - keine Stifterwappen. Man hat vielmehr hier diesen spätgotischen
Brauch aufgenommen, um die Erinnerung an Adelsfamilien wachzuhalten,
zu denen die Zollerngrafen in mütterlicher Linie in verwandtschaftlicher Beziehung
standen, Adelsfamilien, die teilweise schon im 15. Jahrhundert ausgestorben sind.
Zu diesen Familien, deren Wappen sich in St. Lützen befindet, gehört auch das
Geschlecht der Freiherren von Rhäzüns1 in Graubünden. Das Wappen' erinnert
an Ursula von Rhäzüns, welche 1432 Graf Eitelfriedrich I. von Zollern heiratete
und dadurch die Grafen von Zollern mit der graubündischen Herrschaft Rhäzüns
in Verbindung brachte.
Im Schloß in Sigmaringen gibt es ein sogenanntes Rhäzünserzimmer4, so daß
nicht nur in Hechingen, sondern auch in Sigmaringen an Rhäzüns erinnert wird.
Aufgabe dieses Beitrages soll es sein, die Beziehungen zwischen den Grafen
von Zollern und der Herrschaft Rhäzüns darzulegen und damit ein weiteres Kapitel
aus der zollerischen und graubündischen Geschichte des 15. Jahrhunderts aufzuhellen
.
Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns, hrsg. von Walther Genzmer, Bd. 1 (Kreis Hechingen),
Hechingen 1939, S. 169; Maximilian Schaitel und Fritz Staudacher, Die Wappen in der St. Luzen-
kirche - Hechingen, Hohenzollerische Heimat 11 (1961) S. 29 f. und 45.
So die auch für diese Arbeit maßgebliche offizielle Schreibung des Ortsnamens, die teilweise, auch
in der Literatur, zu „Räzüns" vereinfacht wird.
Gespaltener Schild: rechts Kot, links fünfmal geteilt von Silber und Blau. Vgl. Historisch-biographisches
Lexikon der Schweiz, Neuenburg 1921—1934, Bd. 5, S. 603.
Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns, Bd. 2 (Kreis Sigmaringen), Stuttgart 1948, S. 313.
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