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Pfarrer Blumenstetter
ßen, diesem seine Stimme zu geben. Er wählte mit 51 anderen Abgeordneten, vor
allem aus Süddeutschland, Heinrich von Gagern, den Präsidenten der Versammlung.
Das hielt ihn aber nicht davon ab, am 13. Juli 1848 ein begeistertes Schreiben an
seine „Landsleute und Freunde" zu richten, worin er den Einzug des Erzherzogs
Johann in Frankfurt und seinen Empfang in der Nationalversammlung in begeisterten
Worten schilderte 14!. Er bedauerte, daß nicht alle seine Landsleute „dieses
Schöne, Erhebende und Rührende" mit ansehen konnten, und war hocherfreut, als
er zwei von ihnen unverhofft in der Menge entdeckte. Einige Tage später berichtete
er ergänzend, daß der Reichsverweser in den wenigen Tagen seines Aufenthalts in
Frankfurt „die Herzen aller" gewonnen habe 14S. In Hechingen scheint man diese
Wahl wohlwollend aufgenommen zu haben. Die Bürgerwehr feierte sie sogar mit
Zapfenstreich, Gottesdienst und Parade, um dem neuen Reichsoberhaupt zu huldigen
***, und der bekannte Heimatforscher Ludwig Egler soll noch in späteren
Jahren erzählt haben, mit welcher Begeisterung er an dieser Huldigungsfeier teilgenommen
habe I4S.
Etwa um dieselbe Zeit wurde Blumenstetter nach Frankfurt berichtet, daß Einzelne
wie auch ganze Gemeinden sich weigerten, Steuern und Abgaben zu entrichten
und ihren privatrechtlichen Verbindlichkeiten nachzukommen. Wahrscheinlich kamen
diese Mitteilungen aus Kreisen, die dem am 7. Juli 1848 gegründeten vaterländischen
Verein angehörten oder ihm nahestanden. Darin waren vor allem
Beamte und angesehene Hechinger Bürger vertreten, die sich die Aufrechterhaltung
der bestehenden Ordnung auf dem Boden der konstitutionellen Staatsform zur
Aufgabe gestellt hatten146. Dies veranlaßte Blumenstetter, unter dem 16. Juli eine
eindringliche Mahnung an seine „lieben Mitbürger" zu richten, in der er sie an ihre
gesetzlichen Pflichten erinnert. „Ihr seid Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft",
schreibt er, „und müßt die Gesetze des Staates befolgen, wenn derselbe nicht in
unglückselige Verwirrung geraten soll" 147. Er fragt sie, ob ihnen die Religion ihrer
Väter abhanden gekommen sei, und erinnert sie an das Christuswort „Gebet Gott,
was Gottes, und dem Kaiser, was des Kaisers ist". Und am Schluß bittet er sie, ihm
die Enttäuschung zu ersparen, daß er, anstatt er ihr Bestes in der Paulskirche zu fördern
helfe, dort als ihr Ankläger auftreten und die Zentralgewalt anrufen müßte,
die sie in die Schranken der Gesetzlichkeit und Ordnung zurückweise. Da aber bereits
eine Eingabe des vaterländischen Vereins des Fürstentums Hohenzollern-He-
chingen an den Reichstag vorlag, einen Aufruf an das deutsche Volk zu erlassen,
worin dieses zur Erfüllung der verfassungsmäßigen Rechte und gesetzlichen Verpflichtungen
angehalten werden sollte, richtete auch Blumenstetter einen Dringlichkeitsantrag
an die Nationalversammlung, der am 18. Juli 1848 auf der Tagesordnung
stand. Auch er verlangte eine öffentliche Bekanntmachung des Reichsministeriums
, „daß das Volk durch die neuesten Ereignisse weder von den gesetzlichen
Beiträgen zur Bestreitung des Staatsbedarfs noch von seinen privatrechtlichen Ver-
la VuABl. Heeh. 1848, Beilage zu Nr. 57.
"» VuABl. Hech. 1848, S. 269.
144 Eglers Chronik der Stadt Hechingen S. 242.
>4' Gönner S. 72.
>4« So die Satzung im VuABl. Hech. vom 12. 7. 1848.
MI VuABl. Hech. 1848, S. 269.
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